Offen gesagt Fahrlässiges Durchregieren

Die Frage ist, was eigentlich noch alles geschehen muss, damit Stadtverwaltung, SPD und CDU in Wuppertal merken, dass sie auf dem Holzweg sind. Das Debakel um den Carnaper Platz jedenfalls scheint diese Erkenntnis nicht zur Reife gebracht zu haben.

Denn die Akteure sind gerade dabei, denselben Fehler zu wiederholen.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Diesmal geht es um die Bürgerbüros. Während die Bezirksbürgermeister noch darum kämpfen, dass ihre kleinen dezentralen Einwohnermeldeämter erhalten bleiben, schaffen SPD, CDU und die Verwaltungsspitze Fakten. Zwar hat der Rat noch keine Entscheidung darüber getroffen, ob es weiter viele Bürgerbüros oder nur noch ein Büro gibt, geschweige denn, ob der Rathausanbau am Heubruch abgerissen und als sogenanntes Bürgerhaus neu aufgebaut wird, aber so bestimmt, wie Kämmerer Johannes Slawig sich zum Thema geäußert hat, sind SPD und CDU einverstanden, die Würfel also bereits gefallen. Daran ändert auch die Meinung der Opposition nichts mehr. Alles andere wäre ohnehin einem Wunder gleich gekommen.

Die ganze Sache wird noch ärgerlicher dadurch, dass eigens eine teure Dezernentenstelle dafür geschaffen wurde, solche wichtigen, tiefschürfenden Fragen transparent und im Sinne der Bürger zu beantworten. Was der Dezernent Panagiotis Paschalis (SPD) zur Neubauidee beigetragen hat, ist nicht überliefert. Mit Transparenz hat all das jedenfalls nichts zu tun. Und ob es im Sinne der Bürger ist, muss sich noch erweisen.

Grundsätzlich ist so ein zentrales Bürgerhaus vielleicht ja sogar eine gute Idee. Aber „Wir machen das so“ ist dafür kein Argument. Vielleicht sprechen ÖPNV-Anbindung, technische- und Parkmöglichkeiten für das Dienstleistungszentrum am Rathaus, vielleicht gibt es wirklich Effekte, durch die sich Personalkosten sparen lassen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist Online doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Vielleicht mögen viele Bürger lieber den persönlichen Kontakt zu ihren Dienstleistern in der Stadtverwaltung. Und vielleicht sind ganz viele Wuppertaler mangels PC, Smartphone oder tieferer EDV-Kenntnisse schlicht nicht in der Lage, ihr analoges Leben auf Digital umzustellen. Vielleicht sind viele Antragsteller für was auch immer aufgrund ihres Alters auch gar nicht mehr mobil genug, von beispielsweise Cronenberg aus nach Barmen zu kommen. Wuppertal wird insgesamt auch nicht jünger.

Von all diesen Erwägungen hat Johannes Slawig am Donnerstag nichts erzählt. Und vom unter anderem für das Meldewesen zuständigen Bürgerbeteiligungsdezernenten war noch nicht einmal etwas zu sehen. Die Bezirksbürgermeister hat sehr wahrscheinlich auch niemand gefragt.

Es ist vermutlich noch nicht einmal böse Absicht, dass die Groko und der Verwaltungsvorstand in Wuppertal seit Jahren „durchregieren“. Aber es ist fahrlässig. Denn sehr viele Wuppertaler fühlen sich bei einem solchen Verhalten von den gewählten Mandatsträgern auf Dauer nicht mehr vertreten. Sie werden sich abwenden, ihr Interesse am Geschick dieser Stadt verlieren. Das ist dann misslich, wenn dieselben Bürger benötigt werden, um Aufgaben zu bewältigen, die eine Stadt allein mit leeren Kassen nicht meistern kann. Wer ein Paradebeispiel dafür braucht, wie eine Stadt den Ast absägt, auf dem sie sitzt — Wuppertal liefert es.