Hör ma: Bieranzug und Zäpfchenstreik
Jürgen Scheugenpflug ist Wuppertaler Kabarettist und Leiter der Kabarett-Academy. In seinem satirischen Wochen-Rückblick kommentiert er Ereignisse aus dem Stadtleben.
Es ist Sommer im Tal. Während um uns herum alles im Regenwasser ertrinkt, wachsen in der ehemals regenreichsten Stadt der Republik die herrlichsten Südfrüchte. An den Hängen gedeiht lieblicher Wein und die staubigen Schotterpisten sind gesäumt von majestätischen Palmen. Arme, aber glückliche Menschen sitzen idyllisch vor ihren unbezahlten Häusern und warten geduldig auf die Abendkühle.
Nur die Spezies der unerschrockenen Sommerfrischler, die es sich noch leisten kann, startet gen Süden, um die melancholische Erinnerung an Sonnenallergie, Muschelvergiftung, überbuchte Hotels und die geklaute Reisekasse wieder aufzufrischen. Sie träumt schon selig von der ersten Urlaubswoche im 180 km langen Stau auf der A 7 Richtung München. Denn geselliger kann die Ferienzeit nicht beginnen.
Auf dem Seitenstreifen werden lebenslange Freundschaften geschlossen, man nächtigt auf hoffnungsvoll überfüllten Rasthöfen zwischen Holländern und Schweden, Dänen, pardon, denen man mit viel unverschämtem Glück als stolzer Fußballeuropameister gegenübertreten kann.
Bedenklich stimmt mich nur, dass sich die tapferen Gladiatoren wie Angsthasen von kleinen Kindern ins Stadion führen lassen müssen, um überhaupt anzutreten. Wenn der Russe das sieht, kommt er doch noch. Allerdings nicht am Sonntag. Da kommt Spanien nach Wien
Für diejenigen, die schon vorsorglich an eine satte Energiekosten-Nachzahlung im Herbst denken und daheim bleiben, zählt jeder warme Sommertag doppelt. Sie dürfen mit unbändiger Vorfreude den lokalen Höhepunkten der Saison entgegenschwitzen: Sommerfeste, Cityfeste, Nachbarschaftsfeste, Straßenfeste, Feuerwehrfeste.
Der Ablauf ist häufig ein festgelegtes Ritual. Nachdem mann einmal im leichten Bieranzug - Männer tragen zu mittellangen Shorts gerne ein XXL-Deutschlandtrikot hauteng über der Pocke - auf Badeschlappen mit weißen Puma-Tennissocken auf und ab geschlendert ist, schafft der Profi erst mal die Unterlage fürs Trinkgelage. Eine Schüppe Räuberfleisch mit fettigen Bratkartoffeln oder alternativ ein antikes Fischbrötchen direkt auf die Hand.
Danach bei 30 Grad im Schatten 20 kleine schaumlose Biere, die nichts Gutes im Schilde führen, weil man nie weiß, ob sie Pils, Kölsch oder Export heißen. Schmecken eh nach nichts, machen aber schwindelig und schmerzfrei. Und das ist auch notwendig, denn anschließend steht man für den Rest der Nacht mit wildfremden Menschen eng gedrängt am Bierwagen.
Mit einem Fuß im Kölsch und dem anderen in einer Schale Pommes rot-weiß schunkelt man bis in die frühen Morgenstunden mit den Zechern. Oder trinkt einfach stur bis zum Zäpfchenstreik. Vorbildlich nur in der Hinsicht, dass das schwerverdiente Geld in der heimischen Wirtschaft verbleibt. Nach dem Sommer kommt der Winter und der ist es schon jetzt für das "Wuppertaler Generationenbündnis" Aulenbacher & Grüneberg. Sie hatten schon gebucht, sitzen aber jetzt auf gepackten Koffern.
Denn leider fehlt ihnen zukünftig das Geld für die Teilnahme an derartigen generationsübergreifenden Belustigungen. Ist doch ihre geniale Idee zur Konsolidierung des eigenen Kontos gescheitert, weil das Oberverwaltungsgericht Münster mit Stadtkämmerer Dr. Slawig und mir findet, dass motivationslose Gruppenbildung mit der roten Karte geahndet werden muss.
"Als Einzelkämpfer haben die Beiden keinen Anspruch auf Zuschuss", heißt es in der Urteilsbegründung. Liebe Münsteraner Richter, von Kampf war auch nie die Rede. Von politischer Arbeit schon gar nicht. Das hier nennt der Volksmund schlicht Abzocke.