Leben im Denkmal (7): Polizeiwache als Haus der Generationen
Hans-Joachim Gensicke lebt mit seiner Familie an der Kohlenstraße 4. Bis 1922 war dort die Polizei stationiert.
Langerfeld. Das große Schild, auf dem in geschwungenen Lettern steht „Polizei Wache — Polizei Buereau“, zeugt von der Vergangenheit des alten Fachwerkhauses an der Kohlenstraße 4. Weitere Indizien sind die grünen Gitterstäbe vor den Fenstern und ein altes Foto, das an der Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes befestigt ist und Männer in preußischer Polizeiuniform zeigt.
Hans-Joachim Gensicke trägt auch einen grünen Wollpullover, der an die Winterbekleidung heutiger Beamter erinnert. Polizist ist er aber nicht. „Nee, den hat mir meine Frau mal geschenkt“ erklärt er lachend und winkt ab.
Dann führt er in den schmalen Flur seines Hauses in Langerfeld. „Hier die Treppe haben wir selbst eingebaut“, beginnt er sogleich über die Veränderungen der alten Polizeiwache zu erzählen. Früher gab es nur eine Außentreppe und „die Toilette war auf dem Flur“, ergänzt Gensickes Frau Natividad. Früher, das war vor 32 Jahren, als der heute 68-Jährige gemeinsam mit einem alten Nachbarn von der Roßkamper Höhe das alte Haus aus städtischen Besitz kaufte. „180 000 Mark haben wir bezahlt“, erinnert sich Gensicke noch genau. Im Laufe der Jahre hat er noch einmal mehr als das Doppelte für die Renovierung reingesteckt.
Der Rentner und ehemalige Busfahrer bei den Wuppertaler Stadtwerken zeigt das Untergeschoss des Hauses. Über eine steile Treppe vom Wohnzimmer des Ehepaares kommt man in ein großes Schlafzimmer: „Hier war früher das Büro der Wache“, kann Gensicke rekonstruieren. Weiter geht es in einen Vorraum, in dem ein breites, gemütliches Sofa steht. Für die Straftäter, die noch bis 1922 auf die Wache geführt wurden, war es auf der damaligen hölzernen Wartebank sicherlich nicht so bequem. Genauso wenig in der schmalen Gefängniszelle — heute ein kleines Bad für die Gensickes.
Im hinteren Teil des Hauses haben sie eine Wachküche und zwei kleine Kellerräumen. Die Türen haben noch die alten Klappen, die zu Gefängniszeiten als Durchreichen fungierten. „Häufig haben wir Schulklassen zu Besuch und da machen diese zwei ehemaligen Zellen schon Eindruck auf die Kinder“, sagt Gensicke schmunzelnd
„Wir haben uns mit dem Haus einen Traum erfüllt“, erzählt der Besitzer weiter. Er, aus einer Großfamilie kommend, hat in verschiedenen Berufen gearbeitet und nie gedacht, sich einmal ein Eigenheim leisten zu können. Seine Frau Natividad ist als spanische „Gastarbeiterin“ nach Deutschland gekommen. „Die ersten Jahre nach dem Kauf waren wirklich schwer“, räumt Gensicke ein. Mit drei Kindern und einer Katze wohnte die Familie im heutigen Schlafzimmer, bis die Arbeiten im Haus soweit fortgeschritten waren, dass man hochziehen konnte. „In jeder freien Minute haben wir Wände eingeschlagen, Böden verlegt und vieles mehr getan. Alles im Haus ist in Eigenarbeit entstanden.“
Schwierig waren natürlich auch die Denkmalschutzbestimmungen: „An der Außenfassade durften wir nichts verändern.“ Das Schild hat Gensicke nach originalem Vorbild anfertigen lassen, gesehen auf dem einzigen Foto, das es noch von der alten Wache gibt. „Von dem Haus gibt es kaum noch Unterlagen. Statiker und Architekten mussten uns zu Beginn helfen“, erzählt der 68-Jährige.
Heute ist das Haus ein regelrechtes Mehrgenerationenhaus. Über dem Ehepaar Gensicke lebt Sohn Lutz mit Frau und drei Kindern, darüber wiederum Sohn Ramon mit Frau und Kind. „Es ist schön, alle hier beisammen zu haben und es klappt wirklich gut“, freut sich Mutter und Großmutter Natividad Gensicke. Was früher ein unangenehmer Aufenthaltsort für so manchen Verbrecher war, ist heute ein gemütliches Zuhause für die Familie Gensicke: „Das ist unsere kleine Insel.“