Kanzleramtschef Peter Altmaier im Interview: „Schwarz-Grün ist längst Realität“
Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) über klamme Kommunen, die Kanzlerin und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ in Deutschland. Ein Interview.
Herr Altmaier, der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sorgt sich um die 50-Jährigen, die vor Zukunftsangst nicht schlafen können, Sie malen im Wahlkampf blühende Landschaften. Was stimmt denn nun?
Peter Altmaier: Deutschland geht es heute besser als vermutlich jemals in seiner ganzen Geschichte. Das wird von niemandem bestritten.
Also hat Schulz unrecht?
Altmaier: Wir sollten unser Land nicht schlecht reden. Dennoch gibt es auch in Deutschland noch Probleme, die wir lösen müssen und Menschen, denen es nicht so gut geht. Ihnen müssen wir helfen. Das ist leichter, wenn die Wirtschaft wächst. Deutschland ist ein Land, in dem man gut leben kann. Dazu gehört auch die Solidarität mit den Schwachen.
Nun sind Sie heute in Wuppertal, einer Stadt mit neun Prozent Arbeitslosigkeit, einer großen Unterbeschäftigung und mit vielen Hartz-IV-Empfängern. Da ist die Realität schon ein bisschen anders . . .
Altmaier: Beim Amtsantritt von Angela Merkel war die Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland doppelt so hoch wie heute. Seither wurde sie halbiert auf derzeit 5,6 Prozent. Trotzdem gibt es Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind, es gibt Regionen in ländlichen Räumen, wo die Bevölkerungsdichte zurückgeht. Deswegen werden wir in der kommenden Legislaturperiode eine Kommission beauftragen, die sich der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland annimmt.
Sie meinen das Bündnis für die Würde unserer Städte?
Altmaier: Ja, daran ist auch der Wuppertaler Stadtkämmerer beteiligt, und mich hatte damals Peter Hintze gefragt, ob ich die Gruppe empfangen würde. Inzwischen habe ich sie zweimal in Berlin getroffen. Wir haben besprochen, dass wir ihr Anliegen unter dem Thema „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ behandeln. Damit haben wir auch die ländlichen Regionen wie in Bayern und Baden-Württemberg an Bord. Das bedeutet, dass wir Koalitionen schmieden können zwischen den neuen Ländern, zwischen den Städten im Saarland und im Ruhrgebiet, zwischen den ländlichen Regionen Niedersachsens. Dann können wir etwas zustande bringen.
Arme Kommunen wünschen sich seit Jahren einen Altschuldenfonds. Stieße der bei Ihnen auf offene Ohren?
Altmaier: Ich glaube, dass es richtig ist, die Ergebnisse dieser Kommission nicht vorwegzunehmen. Aber Sie können mir glauben, dass die Entlastung der finanzschwachen Städte mir ein Herzensanliegen ist.
Wann gibt es Ergebnisse?
Altmaier: Meine Vorstellung ist, dass, wenn wir sie 2018 einsetzen, sie ihre Arbeit Mitte 2019 gemacht haben wird, so dass wir dann noch zwei Jahre Zeit haben werden, die gesetzlichen Maßnahmen zu verabschieden, die wir brauchen. Wir haben aber auch jetzt schon sieben Milliarden Euro für finanzschwache Kommunen vorgesehen, die damit unter anderem Schulen sanieren können.
Wo Sie Schulen erwähnen: Die Grünen und auch die SPD sprechen sich für ein Ende des Kooperationsverbotes von Bund und Ländern in der Bildungspolitik aus.
Altmaier: Dazu wäre wahrscheinlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. Aber für mich wäre es absolut kontraproduktiv, wenn wir einfach mit der Gießkanne Milliardenbeträge an die Länder überweisen würden, ohne sicherzustellen, dass die Bundesländer damit tatsächlich ihre finanzielle Verantwortung für die Bildungspolitik wahrnehmen.
Sie gelten oder galten zumindest als Politiker, der sich Schwarz-Grün vorstellen könnte. Ist das bei Ihnen noch aktuell?
Altmaier: Schwarz-Grün ist doch längst Realität geworden: Die Grünen koalieren mit der CDU in Hessen und Baden-Württemberg, außerdem in Schleswig-Holstein mit CDU und FDP. Im Übrigen bin ich der Überzeugung, dass Mehrheiten durch politische Gemeinsamkeiten abgedeckt werden müssen. Die gibt es mit der FDP in bestimmten Bereichen, die gibt es mit der SPD und auch in einigen Punkten mit den Grünen. Deshalb machen wir keine Koalitionsaussage für eine bestimmte Partei. Wir warten zunächst einmal das Votum der Wähler ab. Dann wollen wir die Koalition zustande bringen, mit der wir die meisten Vorhaben unseres eigenen Regierungsprogramms umsetzen können. Das ist die Messlatte.
Haben Sie denn persönlich eine Vorliebe?
Altmaier: Die verrate ich nicht. Bei Abschlüssen von Koalitionen kann es auch nie um persönliche Vorlieben gehen. Es geht um diejenige Politik, die für das Land am Besten ist.
Wie kämpferisch finden Sie den Wahlkampf der Bundeskanzlerin?
Altmaier: Ich finde ihn sehr kämpferisch. Sie macht so viele Wahlveranstaltungen wie schon lange nicht mehr. Der Wahlkampf dümpelt in den Augen mancher deshalb vor sich hin, weil die SPD in den Umfragen sehr stark zurückgefallen ist. Wir sind zu jeder Diskussion und Debatte bereit. Was Sie nicht von uns erwarten können ist, dass wir die lahmende, unstrukturierte Kampagne der SPD auf Vordermann bringen. Das müssen Martin Schulz und seine SPD schon selbst leisten.