Vor Europawahl Juncker mahnt: Frieden, Fortschritt und Wohlstand in Europa erhalten
Brüssel · EU-Kommissionschef Juncker macht sich bereit, die Geschäfte an seine Nachfolger zu übergeben. Sich selbst bescheinigt er eine solide Erfolgsbilanz seit 2014. Dennoch ist einiges liegen geblieben.
Drei Wochen vor der Europawahl hat der scheidende Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die EU-Staaten gemahnt, in den nächsten fünf Jahren stärker an einem Strang zu ziehen. Juncker warb für eine engere Zusammenarbeit bei Sicherheit, Verteidigung, Migration, Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Klimaschutz und für eine gewichtigere Rolle Europas in der Welt.
Den Kurs der Europäischen Union für die nächsten Jahre wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs nächste Woche Donnerstag bei einem Sondergipfel im rumänischen Sibiu abstecken. Juncker will kurz vorher in einer seiner seltenen Pressekonferenzen Bilanz seiner Amtszeit seit 2014 ziehen. Die Debatte über sein Vermächtnis fütterte der Luxemburger aber bereits am Dienstag mit einem mehr als 80-seitigen Bericht und einer Liste „unerledigter Aufgaben“ für seine Nachfolger an.
„Die Pflicht jeder Generation besteht darin, die Schicksale der Europäer – auch der kommenden Generationen – zum Besseren zu verändern und das beständige Versprechen von Frieden, Fortschritt und Wohlstand einzuhalten“, schrieb Juncker in einer Erklärung. „Ich bleibe davon überzeugt, dass wir nur in der Gemeinsamkeit die Kraft finden werden, die wir brauchen werden, um unsere europäische Lebensweise zu erhalten, unseren Planeten zu bewahren und unseren Einfluss in der Welt zu stärken.“
Als Erfolge stellte er in seinem Bericht vor allem die Stärkung der Wirtschaft und die Bewältigung von Krisen heraus: die Fast-Pleite Griechenlands, die Flüchtlingsbewegung, die Abwehr von Terror, den Brexit. Die Kommission feiert 20 konkrete Erfolge, darunter das Pariser Klimaabkommen, das Verbot von Einwegplastik und das Ende der Roaming-Gebühren für Mobilfunk im EU-Ausland.
Zehn „unerledigte Aufgaben“ werden der nächsten Kommission ans Herz gelegt, die in den Wochen nach der Europawahl vom 23. bis 26. Mai bestimmt wird und im November die Geschäfte übernehmen soll. Dazu zählen die Festlegung des milliardenschweren Finanzrahmens für die Jahre bis 2027, die seit Jahren stockende Reform des Asylsystems, besserer Schutz vor Online-Terrorpropaganda und eine modernere Besteuerung, unter anderem der großen Digitalkonzerne.
Juncker hatte 2017 eine Debatte über Reformen der Europäischen Union angestoßen und unter anderem dafür plädiert, mehr EU-Länder in den Euro- und den Schengenraum aufzunehmen sowie Europa sozialer auszugestalten. Den Gipfel in Sibiu hatte er als Abschluss und Höhepunkt der Debatte gedacht - und als Neustart kurz nach dem eigentlich für 29. März angekündigten EU-Austritt Großbritanniens.
Doch der Brexit wurde verschoben und die Reformdebatte ist abgeklungen. Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, etwa ein milliardenschweres Eurozonenbudget oder die Verkleinerung der EU-Kommission, kamen nicht voran.