Enterbt — aber nicht ganz
Einige Angehörige können nicht komplett vom Erbe ausgeschlossen werden.
Düsseldorf. „Noch ein Wort, und ich enterbe dich“, schreit der Vater. „Ach, blas dich nicht so auf, das kannst du gar nicht. Den Pflichtteil habe ich sicher“, antwortet der Sohn gelassen. Und hat damit teilweise Recht. Zwar kann ihn der Vater enterben, aber den Pflichtteil kann er ihm grundsätzlich nicht nehmen. Doch dieser Pflichtteil kann sich nicht mit einer echten Erbschaft messen.
Eltern können auch ihre Kinder enterben. Das müssen sie nicht einmal ausdrücklich aussprechen oder im Testament so anordnen. Es reicht, wenn sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Allerdings: Die Kinder haben dann immer noch einen Anspruch auf den Pflichtteil.
Aber was heißt das — Pflichtteil? Um diesen beziffern zu können, muss man rechnen: Was hätte der Enterbte nach der gesetzlichen Erbfolge (siehe dazu unseren Serien-Teil vom 4. Juni) bekommen — und dieser Wert wird dann halbiert.
Nehmen wir mal an, in dem eingangs zitierten Vater-Sohn-Fall ist der Vater seit Jahren verwitwet. Er enterbt den bösen Sohn, der andere soll das gesamte Vermögen in Höhe von 100 000 Euro bekommen. Nach der gesetzlichen Erbfolge hätten beide Brüder Anspruch auf je 50 000 Euro gehabt. Der Pflichtteil entspricht der Hälfte dieses gesetzlichen Erbteils. Der böse Sohn bekommt also in dem Fall 25 000 Euro. Sein Bruder streicht 75 000 Euro ein.
Wichtig zu wissen: Längst nicht jeder Verwandte ist pflichtteilsberechtigt, kann also noch etwas geltend machen, wenn er testamentarisch übergangen wurde.
Neben Kindern des Erblassers sind noch der Ehepartner des Erblassers oder ein eingetragener Lebenspartner pflichtteilsberechtigt.
Wenn im Zeitpunkt des Erbfalls keine Kinder mehr leben, dann sind auch Enkel und Urenkel pflichtteilsberechtigt.
Sind beim Tod des Erblassers gar keine Abkömmlinge (Kinder oder Kindeskinder) vorhanden, dann haben die Eltern des Erblassers einen Pflichtteilsanspruch. Brüder und Schwestern des Erblassers sind dagegen nicht pflichtteilsberechtigt.
Auch wer eigentlich einen Pflichtteilsanspruch hat, kann ihn verspielen und bekommt am Ende nichts. Beispiele: Wenn er dem Erblasser, dessen Ehegatten, einem anderen Abkömmling (Sohn oder Enkel des Erblassers) oder einer ähnlich nahestehenden Personen nach dem Leben trachtet oder sich eines Verbrechens gegen diese schuldig gemacht hat. Seinen Pflichtteilsanspruch kann auch derjenige verlieren, der eine ihm gegenüber dem Erblasser bestehende Unterhaltspflicht böswillig verletzt.
Wer einem Pflichtteilsberechtigten auf keinen Fall etwas hinterlassen möchte, könnte auf die Idee kommen, diesem dadurch zu schaden, dass er sein Vermögen vor dem Tod noch schnell verschenkt.
Auch hieran hat das Gesetzzum Schutz der Pflichtteilsberechtigten gedacht: Ist die Schenkung innerhalb von zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers erfolgt, so hat der übergangene Erbe einen Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Damit wird der Pflichtteilsberechtigte im Erbfall so gestellt, als ob der verschenkte Gegenstand noch im Vermögen des Erblassers wäre. Allerdings vermindert sich die Höhe des Anspruchs jedes Jahr um zehn Prozent.