Ruhe ist Gift für den Rücken
In vielen Fällen sollte man statt zum Arzt zum Sportplatz gehen — eine Operation verschlimmert die Schmerzen eher.
Düsseldorf. Es tut tief im Kreuz weh, im Rücken oder auch in der Schulter: Rückenschmerzen sind oft nicht präzise zuzuordnen. Trotzdem kommen sie häufig vor. Im hausärztlichen Notdienst sind sie — nach eigener Erfahrung — mit großem Abstand die häufigste Beschwerde.
Vor allem auch deshalb, weil sie sehr, sehr langwierig sind. Und deshalb haben viele Patienten auch schon eine genaue Vorstellung von der vermeintlich richtigen Behandlung: „Ich brauche meine Spritze.“ Wohlgemerkt: „meine“ Spritze.
Das heißt nichts anderes, als dass eben diese Patienten schon sehr oft diese, „ihre“, Spritze bekommen haben. Meist ein starkes Schmerzmedikament, manchmal gekoppelt mit einem entspannenden Mittel. Und tatsächlich wirkt eine solche Kombination auch sehr schnell und sehr gut — aber eben nur für den Tag. Mit viel Glück noch einen halben Tag dazu, dann ist Schluss. Zeit für die nächste Spritze. Ein Teufelskreis ohne Ausgang. Scheinbar.
In Wirklichkeit ist Rückenschmerz keine Krankheit, die mit einer Injektion zu heilen ist. Im Gegenteil: Die regelmäßigen Spritzen sind es, die den Schmerz chronisch werden lassen. Oft lebenslang. Die unterbewusste Fixierung auf die Spritze und die Leichtfertigkeit, mit der viele Ärzte sie geben, macht es schwer, aus dem Kreislauf auszusteigen. Und es kommt noch ein weiterer fataler Fehler hinzu: die ausufernde Bildgebung.
Bei jeder Art von Rückenschmerzen werden Röntgenbilder gemacht, Computertomographien oder Kernspins (die Bilder in der Röhre). Warum? „Nur zur Sicherheit“, heißt es oft und die Patienten fühlen sich von ihrem Arzt ernst genommen. Was falsch ist. Denn eigentlich gibt es bei Rückenschmerzen nur einen einzigen Grund, solche Bilder zu machen: dann nämlich, wenn es neben den Schmerzen auch noch akute neurologische Ausfälle gibt, etwa Taubheit oder Lähmungen, Blasen- oder Darmstörungen.
Ist das nicht der Fall und handelt es sich „nur“ um Schmerzen, müssen keine Aufnahmen gemacht werden. Dürfen sie auch nicht, weil die Aufnahmen selbst, der Anblick der Röntgenbilder mit möglichen anatomischen Veränderungen, die Schmerzen verstärkt. Der Satz „kein Wunder, dass der Rücken wehtut, gucken sie mal hier. . .“ führt dazu, dass die Schmerzen chronisch werden.
Dieselbe Skepsis ist auch angebracht, wenn operiert werden soll: Bei neurologischen Ausfällen wie etwa Lähmungen oder Taubheit ist die OP meist unvermeidlich.
Handelt es sich aber „nur“ um Schmerzen, ist der Erfolg einer Operation zweifelhaft. Häufig werden die Schmerzen langfristig eher schlimmer. Kritiker halten die allermeisten Bandscheibenoperationen für überflüssig. Und gefährlich. Im Zweifel sollten Sie, zumal vor einer Operation, immer die Meinung eines zweiten Arztes einholen.
Bei Rückenschmerzen ohne neurologische Ausfälle ist die Therapie eindeutig: keine Schonung, sondern Bewegung. Ruhe ist Gift für den Rücken. Das gilt auch für die Vorbeugung: Wer unter Rückenschmerzen leidet (und dabei keine neurologischen Ausfälle hat) sollte statt zum Arzt auf den Sportplatz gehen. Oder unter Aufsicht in einem Fitnessstudio gezielt den Rücken trainieren.