Ein Tag in Bonn: Die Hauptstadt der rheinischen Gelassenheit
Bonn ist beschaulich, zugleich aber international bedeutend – und daher ein charmantes Ausflugsziel.
Bonn. Die Vergangenheit Bonns als politisches Zentrum der alten Bundesrepublik hat ihre letzte Bastion an der Adenauerallee 60. Dort wird man von den nahezu jugendlichen Gesichtern der Alpha-Männer vergangener Tage begrüßt, etwa Rainer Barzel oder Herbert Wehner.
Dort erstrahlt auch der kastenförmige Dienst-Mercedes von Konrad Adenauer in glitzerndem Chrom. Die D-Insignien sind auf großformatigen Schwarz-Weiß-Fotos abgebildet.
Sie wirken wie Monumente. Der Fahrradständer vor der Tür trägt die Aufschrift: "Friedlich halten und verkehren / gute, alte Zeiten ehren". Selbstverständlich vor schwarz-rot-goldenem Hintergrund. Ganz schön sentimental, das alles.
"Bonner Republik", so heißt dieser Ort im Norden des einstigen Regierungsviertels folglich, und es handelt sich dabei um eine Gaststätte. Betrieben wird sie von dem Inder Monis Masood, der BWL studiert hat und den Eindruck eines tüchtigen Geschäftsmanns hinterlässt.
Beamte aus den in Bonn verbliebenen Ministerien würden zu den Stammgästen zählen, sagt er. Manchmal kämen auch prominente Ex-Minister. Die Belegschaft sei "ein älteres Publikum, das in Erinnerungen schwelgen will". Wenn die Gäste hören, dass jetzt ein Inder die "Bonner Republik" regiert, herrscht Amüsement.
Bonn hat einen Wandel durchgemacht, seit es 1999 seinen Status als Regierungssitz verloren hat. Das Kanzleramt, die meisten Ministerien und der Sitz des Bundespräsidenten sind nach Berlin abgewandert.
Zurück geblieben sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung oder der Bundesrechnungshof - und viele politische Relikte. Bauten wie das frühere Bundeskanzleramt erscheinen wegen ihrer architektonischen Bescheidenheit wie Boten einer versunkenen Zeit.
Doch Bonn hat der Wegzug nie wirklich weh getan. Warum auch? Zum einen durfte man prominente Zuzügler wie die Telekom oder diverse Einrichtungen der Vereinten Nationen empfangen - solide Kompensationen. Und zum anderen hat das Städtchen ohnehin schon ganz andere Schlachten geschlagen.
Bonn hat Geschichte als permanenten Veränderungsprozess erlebt: Die Römer siedelten dort vor 2000 Jahren. Zwischen 1597 und 1794 residierte in Bonn der Kölner Kurfürst, danach stationierte Napoleon seine Truppen am Rhein. 1815 fiel die Stadt schließlich an die Preußen. Norbert Blüm, ehemaliger Arbeitsminister und einer von 316000 Bürgern dieser Stadt, attestiert seinem Wohnort "rheinische Gelassenheit".
Und tatsächlich: Wer durch die Innenstadt spaziert, taucht in eine Atmosphäre der Beschaulichkeit ein. Im Hofgarten, dem grünen Campus der Friedlich-Wilhelms-Universität, aalen sich Studenten in der Sonne und lassen die Semesterferien das sein, was sie sind: die schönste Zeit des Jahres.
Entlang des sprießenden Grünstreifens an der Kaiser-Passage - jener Straße, die vom Zentrum aus zum Schloss Poppelsdorf führt - reihen sich Cafés aneinander. So bedächtig wie die Bonner Bummelanten dort in ihrem Milchkaffee rühren, könnten sich auswärtige Besucher an dieser Promenade auch auf einer italienischen "Piazza" wähnen.
Was Bonn unter den Städten Nordrhein-Westfalens einzigartig macht, ist die friedliche Koexistenz kleinstädtischer Gemächlichkeit und internationaler Relevanz. Bei aller Putzigkeit hat die Stadt nämlich in punkto Veranstaltungen einige Schwergewichte zu bieten: Da ist das Beethovenfest, das jährlich im September gefeiert wird und Dirigenten aus aller Welt anlockt, um das Werk des Großkomponisten, der in Bonn geboren ist, an lokalen Spielstätten neu zu interpretieren.
Da sind die Stummfilmtage, die jedes Jahr im August stattfinden und Klassiker von Charlie Chaplin oder Fritz Lang auf einer Leinwand im Arkadenhof der Universität zeigen. Und da ist die Museumsmeile, wo jeden Sommer Open-Air-Konzerte gespielt werden.