Ganz ohne Nachrichten und fast wunschlos glücklich
Northern Territory. Alles ist anders, wenn man am anderen Ende der Welt ein Leben führt, das man sich am gewohnten Ende der Welt nur in Träumen ausgemalt hat. Dann ist eine Jeans erst reif für die Wäsche, wenn sie mit Benzin und dem Blut kastrierter Kälber völlig durchtränkt ist - nicht wenn sie nur von dicken Schlieren roten Staubs gezeichnet ist.
Dann zündet man ganz selbstverständlich abends ein Feuer unter dem Wassertank an, um heiß duschen zu können. Und man kratzt die schimmeligen Stellen vom Brot ab, statt es wegzuwerfen.
Die Cattle Station, auf der ich arbeite, liegt in der Mitte von Garnichts. Auf dem Großteil des Stuart Highway, der einmal längs durch den Kontinent führt, gibt es schon keinen Handyempfang - und von diesem Highway geht es noch einmal fast vier Stunden über staubige Geröllpisten und durch den etwa 50 Meter breiten Daly River, bevor man in der schwarzen Nacht die Lichter des Hauses der Familie und des Arbeiterquartiers blinken sieht.
Das Problem mit den Nächten im Outback ist: Sie kommen verdammt schnell. Die Sonne hängt als roter Ball über dem Horizont - und dann kann man die Sekunden zählen, in denen sie hinter die kargen Baumwipfel flutscht Um 19 Uhr abends ist es stockfinster. Die Menschen hier können immer kaum glauben, dass es in Deutschland im Sommer bis 22.30 Uhr hell ist, und im Winter die Sonne schon kurz nach 16 Uhr untergeht.
Das Gute an den Nächten: Sie sind wunderwunderschön. In den ersten Nächten auf der Cattle Station hat mich ein Vollmond begleitet, der manchmal quietschorange war, wenn er den Himmel hinaufkroch. Jetzt geht er später auf. Dafür kann man ohne sein Licht genau erkennen, wie sich die Milchstraße von einem Horizont zum anderen schlängelt.
Lange Freude habe ich an dieser Schönheit allerdings nicht. Um spätestens 21.30 Uhr verabschiedet sich einer der Arbeiter nach dem anderen von der kleinen Holzbank am Kitchen-Van - einem großen Anhänger, in dem wir kochen. Abendessen, schnelle Dusche, ab in die Kissen. Das ist die allabendliche Routine. Und die braucht lang genug.
Anders als auf großen Company-Stations hat dieser Familienbesitz - wenn auch über 14.000 Stück Vieh stark - keinen Koch, keine Flachbildschirm-Fernseher, nicht einmal Internet. Eine Journalistin ohne jeglichen Zugang zu Nachrichten... Aber dafür weiß ich jetzt, dass man gar nicht so viel Wünsche haben kann, wie der Nachthimmel über dem Outback in den zwei Minuten, die ich vom Kitchen-Van in meinen kleinen Camper brauche, abwirft.