Anti-Putin-Video - Pussy Riot hat Ärger mit Polizei
Sotschi (dpa) - Kampfeslustig und mit grellen Strickmasken stürzten die Aktivistinnen der Protestgruppe Pussy Riot aus der Polizeistation in Sotschis Stadtteil Adler. In der Olympiastadt haben sie gerade ein nach eigener Darstellung brutales Verhör mit Schlägen und psychischer Gewalt hinter sich.
Warum sie kurz zuvor von Dutzenden Uniformierten an der Schwarzmeerküste abgeführt wurden, will das Innenministerium in Moskau zwar nicht mitteilen. Der Grund dürften aber die Wettkämpfe bei den Olympischen Winterspielen in der Stadt sein. Offensichtlich wollen die Gastgeber jedes politische Nebengeräusch vermeiden.
Blitzschnell lenkte die überraschende Polizeiaktion den Blick der in Sotschi versammelten Weltöffentlichkeit darauf, dass Kritik am Rande der von Kremlchef Wladimir Putin als Prestigeprojekt gefeierten Winterspiele nicht zugelassen ist. „Wir haben keine Aktion gemacht, gingen einfach nur durch Sotschi“, sagte Nadeschda Tolokonnikowa von Pussy Riot. Da seien, als sie sich in der Nähe einer Kirche aufhielten, die Uniformierten, darunter auch Kosaken, auf sie losgegangen.
Tolokonnikowa und ihre Mitstreiterin Maria Aljochina sind weltweit bekannt, seit sie vor zwei Jahren gegen Putin in einer Kirche protestierten und dann zu zwei Jahren Straflager verurteilt wurden. Im Zuge einer Amnestie kamen sie am 23. Dezember wieder auf freien Fuß.
Einen neuen Videoclip hätten sie gedreht mit dem Titel „Putin bringt Dir bei, Deine Heimat zu lieben“, wie Aljochina der Nachrichtenagentur dpa sagte. Das Lied sei fertig aufgezeichnet, der Clip bald im Internet zu sehen. Die Künstlergruppe Art Woina, zu der Aljochina und Tolokonnikowa gehören, twitterte live Fotos von den Frauen im Polizeiauto - wie ihre Augen zwischen Brettern hervorschauen.
„Das neue Lied ist eine Meinungsäußerung darüber, was jetzt hier im Land vor sich geht. Wir wollten ausdrücken, dass Sotschi heute eine Stadt unter Blockade ist. Es ist wie im Kriegszustand“, sagte Aljochina. Die Sicherheitsvorkehrungen bei Olympia sind beispiellos in der jüngeren Geschichte des Landes - auch weil Terroristen gedroht haben, das Ringespektakel zu verhindern.
Regierungsgegner, Aktivisten und Menschenrechtler beklagen aber seit langem, dass der Staatsapparat sich vielmehr darauf konzentriere, Kritiker am Rande der Spiele mundtot zu machen. Auch der Bürgerrechtler Semjon Simonow fand sich am Dienstag in Polizeigewahrsam wieder. Er hatte als Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Memorial zum Ärger der Behörden die Ausbeutung von Gastarbeitern angeprangert.
Simonow warf dem Inlandsgeheimdienst FSB zuletzt vor, Kritikern systematisch den Zugang zu den Olympiaanlagen zu verwehren. Er veröffentlichte in seinem Twitter-Blog auch ein Foto von olympischen Ringen aus Stacheldraht. Ganz konkret richtet dieser Protest sich gegen die Inhaftierung des bekannten Umweltschützers Jewgeni Witischko. Der 40-Jährige ist zu drei Jahren Straflager verurteilt worden, nachdem er gegen einen aus seiner Sicht illegalen Bau des Gouverneurs von Krasnodar protestiert hatte.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) zeigt sich seit Tagen gelassen. IOC-Sprecher Mark Adams sieht das Vorgehen der Polizei als Sache der russischen Behörden. Appelle der Betroffenen, das IOC möge Druck auf Putin ausüben, prallen an den streng abgeriegelten Olympiaanlagen ab. Menschenrechtler hatten immer wieder kritisiert, dass ein autoritäres Land wie Russland kein Olympia-Gastgeber sein dürfe.
„Was müssen das für Idioten sein, Pussy Riot ausgerechnet während Olympia in Sotschi festzunehmen“, ätzte der Oppositionsführer Alexej Nawalny. Er hatte den Funktionären und Oligarchen aus der Umgebung von Putin vorgeworfen, sich an Olympia bereichert zu haben. Unter Putin würden die olympischen Ringe zu Handschellen, meinte der John Dalhuisen von Menschenrechtsorganisation Amnesty International.