Bartelt: „Dritten Golfplatz braucht man in Rio sicher nicht“
Rio de Janeiro (dpa) - Für den Brasilien-Kenner Dawid Danilo Bartelt kommen die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro zur Unzeit. „Die Menschen haben andere Sorgen“, sagt der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Brasilien.
Das Land steckt in einer tiefen Rezession, ist gebeutelt von einer politischen Krise. Beim Olympiaprojekt, das rund zehn Milliarden kostet, sieht er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur viel Schatten, wenig Nutzen, aber auch einige sinnvolle Ansätze.
Gibt es eine Vorfreude auf Olympia in Rio de Janeiro?
Dawid DaniloBartelt:Nein, die ist bisher kaum zu spüren. Die olympiabezogene Werbung ist schon fast der verzweifelte Versuch, Vorfreude zu erzeugen und Fröhlichkeit auszusenden. Olympia wird auch kaum als nationales Ereignis wahrgenommen. Die Menschen haben gerade andere Sorgen.
Wie groß ist der wirtschaftliche Nutzen?
Bartelt:Die volkswirtschaftlichen Effekte solcher Mega-Events sind gering. Vor der Fußball-WM 2014 gab es Studien, die zusätzliche Einnahmen und Investitionen in Milliardenhöhe und Hunderttausende neue Arbeitsplätze versprachen. Das Wachstum im WM-Jahr war dann aber geringer als im Vorjahr und sackte 2015 ganz ab, die Arbeitslosigkeit stieg.
Aber was ist mit der Steigerung des Tourismus in Rio?
Bartelt:Das läuft auf ein Nullsummenspiel hinaus. Zwar kommen Olympia-Touristen, aber dafür bleiben die anderen Touristen weg, denen dann die Hotels zu teuer sind.
Und was ist mit Verbesserungen im Verkehrsbereich?
Bartelt:Das ist ein wichtiger Teil der Rechtfertigungsstrategie, um die hohen Kosten zu legitimieren. Aber für Schnellbusstraßen mussten auch viele Wohnungen zwangsgeräumt werden. Und es stellt sich die Frage, ob es eine bedarfsgerechte Planung gibt. Zur U-Bahn gibt es für eine Metropole keine wirkliche Alternative. In 40 Jahren wurden in Rio nur 40 Kilometer gebaut. Die neue Linie 4 in den Westen Richtung Olympiapark Barra nutzt den Olympia-Touristen. Aber hier wohnt die obere Mittelschicht, die aus Angst vor Kriminalität den öffentlichen Raum meidet und lieber das eigene Auto nimmt. Gerade die bessere Anbindung des Nordens und ärmerer Vorstädte wäre dagegen wichtig.
Es wurde bei den Stadien auf günstige Lösungen gesetzt. Überzeugt das Konzept der Nachnutzung?
Bartelt:Hier geht einiges in die richtige Richtung. Es soll keine sogenannten weißen Elefanten geben, also Stadien, die danach verrotten. So soll es eine Umwidmung in eine Schule geben und Trainingszentren zur Förderung des Spitzensports. Aber einen dritten Golfplatz braucht man in Rio de Janeiro sicher nicht. Zudem ist er auch ökologisch sehr fragwürdig.
Wie sieht die ökologische Bilanz insgesamt aus?
Bartelt:In der riesigen Guanabara-Bucht, wo die Segelwettbewerbe stattfinden, hat sich kaum etwas gebessert. Es fließen 18 000 Liter ungeklärte Abwässer pro Sekunde hinein. Mit Hilfen aus Japan und den USA wurde über eine Milliarde US-Dollar für Umweltschutzmaßnahmen bereitgestellt, unter anderem für den Bau von Kläranlagen. Aber mehrere der Anlagen wurden dann gar nicht an die Kanalisation angeschlossen. Sie hatten nichts zu klären und rotten vor sich hin.
ZUR PERSON:Dawid Danilo Bartelt, Jahrgang 1963, ist seit 2010 Direktor der Heinrich-Böll-Stiftung in Brasilien. Der promovierte Historiker war vorher Sprecher von Amnesty International in Deutschland. Er hat mehrere Bücher über Brasilien verfasst.