Breite Unterstützung für Olympia-Großprojekt
Berlin (dpa) - Kaum haben sich die Befürworter einer deutschen Olympia-Bewerbung für die Spiele 2024 auf eine gemeinsame Strategie der Neutralität geeinigt, hat die erste Spitzenfunktionärin eine Präferenz für Berlin erklärt.
DOSB-Vizepräsidentin Christa Thiel, zudem Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), erklärte im Duell zwischen Berlin und Hamburg die Hauptstadt zu ihrer Favoritin. „Unstreitig Berlin“, sagte sie der dpa. „Wir glauben, dass die Nachhaltigkeit in der Hauptstadt eine andere ist. Wir schätzen das Investitionsvolumen geringer ein. In Berlin sind deutlich mehr Sportstätten Olympia-tauglich.“
Der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, reagierte verstimmt und wertete Thiels Äußerung als kontraproduktiv für das ambitionierte Großprojekt: „Wir alle sollten uns davor hüten, jetzt einen Wettkampf zwischen den beiden Städten zu schüren.“
Thiel war beim einstimmigen DOSB-Präsidiumsbeschluss für eine deutsche Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024 und eventuell 2028 nicht anwesend. Die Freude über die breite Unterstützung aus der Politik und dem deutschen Sport wollte sich Hörmann durch Thiel nicht verderben lassen: „Ich sehe uns auf einem sehr guten Weg. In der gesamten deutschen Sportfamilie ist beim Thema Olympia-Bewerbung eine deutliche Aufbruchstimmung zu spüren. Und auch in den beiden Städten ist bei vielen die Faszination deutlich erkennbar.“
Die Bundesregierung nannte den Plan „unterstützenswert“, zumal er auch für die Wirtschaft sehr interessant sei. Innenminister Thomas de Maizière ließ mitteilen, eine Bewerbung stehe Deutschland gut zu Gesicht. Wenn man andere Städte und Länder kritisiere, sei es nicht schlecht zu zeigen, „dass man es mindestens genau so gut hinbekommt“.
Die erwartete Replik der Gegner kam prompt. „Der DOSB zeigt sich lernunfähig und ignorant“, hieß es in einer Mitteilung der Opposition aus Berlin. Das Bündnis NOlympia wolle „alles daran setzen, Berlin und Hamburg vor dem Olympischen Größenwahn zu bewahren“. (N)Olympia Hamburg prangerte die Verschwendung von Steuergeldern an. Beide Bewerbungen sollen je 50 Millionen Euro kosten. Hörmann kündigte an, das Gespräch mit den Skeptikern zu suchen.
Mit den harschen Worten der Aktivisten hatten die Olympia-Planer gerechnet - Thiels Solo überraschte alle. Auch Rainer Brechtken, Sprecher der deutschen Spitzensportverbände, verurteilte das Vorpreschen seiner Kollegin, die am Jahresende aus dem DOSB-Präsidium ausscheidet. Es bringe „absolut nichts, jetzt einen Pseudowettkampf zwischen Berlin und Hamburg zu eröffnen“, so der Präsident des Deutschen Turnerbundes (DTB).
„Ich halte gar nichts davon, dass sich Verbände jetzt für Hamburg oder Berlin aus dem Fenster lehnen. Das wäre für beide Städte nicht gut. Ich kann allen nur davon abraten, das zu tun“, sagte Brechtken. Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 21. März 2015 will der DOSB die Kandidatenstadt küren.
Bis dahin gibt es für die potenziellen Gastgeber noch viel zu tun. Der DOSB hat mit beiden Städten Workshops vorgesehen, die Pläne müssen weiterentwickelt, Finanzierungskonzepte konkretisiert werden. Vor allem bei den Bürgern müssen Berlin und Hamburg noch Überzeugungsarbeit leisten. In einer DOSB-Umfrage sprachen sich in der Hansestadt 53 Prozent der Befragten für Spiele in der eigenen Stadt aus, in Berlin waren es nur 48 Prozent. Im Februar will der DOSB eine zweite Umfrage starten, um vor dem Votum ein möglichst aktuelles Stimmungsbild zu haben. Erst nach der DOSB-Festlegung auf eine Stadt gibt es dort eine Bürgerbefragung. „Wir wollen das Projekt zum Erfolg bringen. Deshalb werden wir die Stadt auswählen, mit der wir glauben, dieses Ziel eher erreichen zu können“, sagte Hörmann.
Berlin würde nach Ansicht des eigenen Landessportbunds mit einem Hauptstadtbonus ins Rennen gehen. „Es ist bedeutend für die Ausstrahlung weltweit, dass sich die Hauptstadt bewirbt“, sagte Berlins LSB-Chef Klaus Böger. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, der am 11. Dezember aus dem Amt scheidet, warb für seine Stadt. „Wir gehen davon aus, dass der Sport mit Berlin die größten Chancen hätte, sich international durchzusetzen“, sagte Wowereit nach Angaben seines Sprechers. Hamburgs Sportsenator Michael Neumann erklärte: „Wir sind überzeugt, dass unser Bewerbungskonzept von einer breiten Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger unterstützt wird.“
Bei den Verbänden fand der DOSB-Beschluss breite Unterstützung. „Für den deutschen Sport wäre eine Bewerbung eine gute Sache“, sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Für den Vorsitzenden des Deutschen Ruderverbandes, Siegfried Kaidel, gehören die Spiele „einfach mal wieder nach Deutschland“.
Auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) unterstützt das Projekt. „Wir freuen uns darüber, das ist sehr schön“, sagte FN-Präsident Breido Graf zu Rantzau. Die FN würde derzeit Hamburg bevorzugen, weil es auf dem Derby-Gelände und im nahe gelegenen Luhmühlen bereits Anlagen mit Topveranstaltungen gibt. „Der Erfolg dieses strategisch so wichtigen Projekts für den deutschen Sport und das ganze Land hängt im wesentlichen davon ab, ob es uns gelingt, weiterhin fair, ganzheitlich und teamorientiert zu agieren“, betonte Hörmann. Thiels Positionierung war wahrscheinlich nur der Anfang. Weitere Verbände könnten folgen.