Vier Jahre vor Peking Chinas Sportler enttäuschen bei Winterspielen

Pyeongchang (dpa) - Vier Jahre vor Peking 2022 lastet enormer Druck auf Chinas Athleten - entsprechend groß ist die Frustration über ihr bisher schlechtes Abschneiden bei den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang.

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„Die chinesischen Fans sind enttäuscht“, heißt es in chinesischen Medien. Mehr als die Hälfte der Spiele sind rum, mehr als eine Handvoll Chancen auf Gold wurden verpasst. „China hat nicht mehr viel Zeit“, schreibt „Dongfang Tiyu“. Es könne passieren, dass die Athleten nicht eine Goldmedaille heimbrächten, warnt das Blatt. „Echt unbefriedigend.“

Vor vier Jahren im russischen Sotschi waren es noch neun Medaillen: dreimal Gold, viermal Silber und zweimal Bronze. Platz zwölf im Medaillenspiegel. Doch davon können die Chinesen in Pyeongchang bisher nur träumen. Am zehnten Wettkampftag am Montag waren es erst fünf Silber und zweimal Bronze. Damit rangiert China im Medaillenspiegel nur im unteren Drittel. Dabei sitzt daheim das Milliardenvolk wegen des chinesischen Neujahrsfestes den ganzen Tag wie gebannt am Fernseher - und ist mehr und mehr desillusioniert. Mit drei- bis sechsmal Gold war gerechnet worden: im Eiskunstlauf, Shorttrack, Eisschnelllauf, Curling, Freestyle oder Snowboard.

An den Wänden im „China Haus“ hängen die Fotos der 82 Athleten in Korea - mehr als je zuvor. An nur sechs Porträts hängen rote, geknotete Ornamente: die Medaillenträger. Die erste war Liu Jiayu , die gleich zu Beginn der Spiele hinter Silber auf dem Snowboard holte. Doch nur zwei Tage später fühlte sich das Silber für Sui Wenjing und Han Cong hinter dem deutschen Paar Aljona Savchenko und Bruno Massot wie eine Niederlage an.

„Ich war sehr emotional“, sagte die 20-jährige Sui Wenjing, die erstmals an Winterspielen teilnahm und dabei von einer Fußverletzung behindert wurde. „Selbst als ich das Make-up auflegte, war ich schon am Heulen. Ich war einfach sehr nervös.“ Sie wusste, dass Gold von ihr und ihrem Partner erwartet wurde. 2022 soll alles anders werden. „Unser Ziel für Peking ist Gold“, meinte Han Cong.

Die Stimmung im Team China ist gedrückt. „Es gibt Schwermütigkeit und Bedauern über die Ergebnisse der Winterspiele“, sagte der 26 Jahre alte Freestyler und Silbermedaillengewinner Jia Zhongyang. In Pyeongchang und so nah vor den Winterspielen 2022 im eigenen Land spürt die Nation schmerzlich, dass sie traditionell eben keine Wintersportmacht ist. Es fehlen Ruhm und Heldentum, die den Chinesen bei Sommerspielen garantiert sind. So war es ganz besonders 2008, als der Gastgeber bei den ersten Olympischen Spielen in Peking mit 98 Medaillen Platz eins eroberte.

Aber Winterspiele? Wie soll China da seinen Rückstand aufholen? Vor zwei Jahren startete die Regierung ein großes Programm, da das Reich der Mitte zum Zeitpunkt des Zuschlags für 2022 in einem Drittel der Sportarten gar nicht vertreten war. Jetzt wird Skifahren an Grundschulen eingeführt, Tausende Trainer werden ausgebildet. Rollschuhläufer werden zu Eiskunstläufern umgeschult, Radfahrer in Skilangläufer, Turner in Snowboarder. In einer Provinz wurden Langstreckenläufer, Sprinter, Hochspringer, Kajakfahrer und Triathleten ausgesucht, um eine Eishockey-Mannschaft zu bilden. Aber erstmal mussten sie Schlittschuhlaufen lernen.

„China ist im Wintersport nicht gut. Uns fehlt die Tradition“, sagte ein Trainer, der den staatlichen Sportapparat in China von innen kennt und lieber anonym bleiben will. „Das ist in zwei, drei Jahren nicht aufzuholen.“ Selbst wenn sich immer mehr Mittelklasse-Familien heute einen Skiurlaub leisten könnten, koste Wintersport eben immer viel Geld: für Skier, Schuhe, Ausrüstung oder den Bau von Pisten. „Das ist nicht wie Tischtennis“, sagte der Coach. „Überleg mal, was kostet Tischtennis, um sich bis an die Weltspitze zu spielen?“