Der große Favorit: Peking hofft auf Winterspiele 2022
Peking (dpa) - Jiao Bao fiebert der Entscheidung entgegen. Wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) am 31. August bekanntgibt, wer den Zuschlag für die Winterspiele 2022 erhält, will der Hotelbesitzer den ganzen Tag den Fernseher anlassen, damit er die große Nachricht nicht verpasst.
„Fällt die Wahl auf Peking, wird das unser Leben auf den Kopf stellen“, sagt der 51-Jährige während er die staubigen Glastische im Essraum seines Gasthauses abwischt.
Das Geschäft lief zuletzt nicht gut. Jiaos Hotel liegt in einem Bergdorf, das zum Pekinger Außenbezirk Yanqing gehört. An Wochenenden kommen oft Wanderer aus Peking. Unter der Woche, und vor allem im Winter, ist das Hotel von Jiao allerdings kaum gebucht. „Das wird sich ändern, wenn hier erst alles in ein riesiges Skigebiet verwandelt wird“, hofft Jiao. Kriegt Peking die Spiele, werden die mit Bäumen und grünen Sträuchern bewachsenen Hänge hinter dem Dorf in Skipisten verwandelt. Auch die olympische Bobbahn und ein Medienzentrum sollen in unmittelbare Nähe zum Dorf entstehen.
So steht es auf den Werbeplakaten, die Arbeiter im Frühjahr aufgebaut haben, bevor Mitglieder der olympischen Evaluierungskommission durch das Dorf geführt wurden. Seit dem Besuch sind die Planer in Peking zuversichtlicher denn je, dass ihre Stadt die erste wird, die nach Sommerspielen auch Spiele im Winter ausrichten darf.
Die Experten des IOC lobten Pekings Bewerbung in den höchsten Tönen. „Der olympische Geist, den Peking und China 2008 gezeigt haben, ist lebendig und stärker als je zuvor“, sagte Kommissionsmitglied Alexander Schukow damals nach der Inspektion. „Unser Besuch hat bestätigt, dass Peking in der Lage ist, die Winterspiele 2022 erfolgreich abzuhalten.“ Gute Chancen sehen Experten für Peking vor allem, weil es sich nach dem vorzeitigen Rückzug von München und Oslo nur noch gegen Almaty in Kasachstan durchsetzen muss.
Zwar sollen auch einige Anlagen genutzt werden, die schon für die Sommerspiele 2008 gebaut wurden. Eishockey, Eisschnelllauf oder auch Curling sollen in Peking in bestehenden Arenen stattfinden. Kräftig investiert werden muss für die Schneewettbewerbe. Die Anlagen für die alpinen Wettkämpfe im Yanqing existieren noch nicht. Die Hauptstadt bewirbt sich zudem gemeinsam mit der etwa 190 Kilometer nordöstlich von Peking gelegenen Stadt Zhangjiakou, wo Biathlon und Snowboard-Wettbewerbe stattfinden sollen.
Bisher dauert die Autofahrt dorthin etwa vier Stunden. Ganz klar eine Schwäche gegenüber Almaty, wo alle Wettkampfstätten deutlich näher aneinander liegen. Abhilfe schaffen soll eine neue Schnellzugverbindung, die Zhangjiakou von Peking aus in nur 70 Minuten erreichbar macht. Die Fahrt in den Außenbezirk Yanqing verkürzt sich dann von knapp zwei Stunden auf 20 Minuten.
„Der Zug wird uns sicher künftig mehr Touristen bringen“, sagt Zang Guibin, der neben Jiaos Hotel ein Restaurant betreibt. Ganz so wohl wie seinem Nachbarn ist Zang allerdings nicht. Der 54-Jährige erzählt, es habe Gerüchte gegeben, dass das Dorf wegen der Spiele umgesiedelt werden könnte. Mittlerweile sei aber nur noch von „Verschönerungen“ die Rede. „Selbst, wenn die Regierung eine große Entschädigung zahlt, möchte ich hier nicht weg„, sagt Zang.
Kritisch sehen die mögliche Vergabe der Winterspiele an Peking auch Menschenrechtler. „Wir haben in China bereits Olympische Spiele gesehen, bei denen Menschenrechte verletzt wurden. Und die Situation heute ist noch schlimmer als 2008“, sagt Minky Worden von Human Rights Watch.