Rio 2016 Deutsche Sportförderung: „Alles muss auf den Prüfstand“

Der Spitzensport wartet nach Olympia in Rio de Janeiro gespannt auf die Reformvorstellungen des Bundesinnenministers.

Alfons Hörmann, Präsident des DOSB: „Die ehemalige deutsche Paradedisziplin Fechten und vor allem die Schwimmer haben ihre Ziele in Rio definitiv nicht erreicht.“

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Rio de Janeiro. Dienstag ist die Laune von Alfons Hörmann wieder ein wenig besser geworden. Als Sebastian Brendel im Einer-Canadier bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro Gold gewann und damit seine führende Position von London 2012 eindrucksvoll bestätigte, sah man den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) endlich einmal wieder lachen in Brasilien. „Auf unsere Kanuten ist Verlass“, sagte Alfons Hörmann spürbar erleichtert.

Brendels Gold war das neunte in Rio. Hörmann war derjenige, der vor den Spielen stets warnte, wenn andere ihre optimistischen Medaillenprognosen aufmachten. „Die Anzahl der Medaillen von London zu bestätigen, halte ich für ein sehr ambitioniertes Ziel.“ Hörmann wusste im Grund vor dem ersten Wettbewerb in Brasilien, dass das Ziel nicht zu erreichen ist.

Nach der enttäuschenden ersten Woche sprach der Präsident deshalb auch davon, dass nach diesen Olympischen Spielen „wirklich alles auf den Prüfstand muss“. Das haben seine Vorgänger zwar bei allen Olympischen Spielen der Vergangenheit auch gesagt, aber nach Rio könnte es endlich ernst werden.

Michael Vesper, Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft und einer der politischen Lautsprecher, fiel im Deutschen Haus nach einer Woche unfreiwillig in den Pool und lieferte damit das passende Bild zur Situation des deutschen Spitzensports. „Schon sehr lustig, dass es ausgerechnet ihm passiert“, kommentierte Dressurreiterin Isabell Werth amüsiert.

Generaldirektor Vesper war das nicht wirklich, musste unabhängig von seinem Pool-Ungeschick aber schon nach der ersten Woche seine Prognosen für das deutsche Mannschaftsergebnis in Rio zurückschrauben. Auch Dirk Schimmelpfennig als Direktor Leistungssport im DOSB hatte sich die erste Woche anders vorgestellt.

Hörmann legte die Finger in die Wunden. „Die ehemalige deutsche Paradedisziplin Fechten und vor allem die Schwimmer haben ihre Ziele in Rio definitiv nicht erreicht.“ Dass nur wenige Athleten des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) die Endläufe erreichten, ist für Hörmann Grund genug, „im Fachverband intensiv über notwendige Strukturveränderungen nachzudenken. Wir sind an einem Punkt angelangt, in dem bei solchen Verbänden alles auf den Prüfstand muss.“

Hörmann weiß als ehemaliger Präsident des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) selbst, dass es keine Patentrezepte gibt. Aber er verlangt, dass man sich im deutschen Spitzensport ernsthafte Gedanken macht, wie es in zwei oder drei Olympiaden aussehen soll.

Dass kurzfristig nur Einzelerfolge kompensieren können, was das Konzept nicht hergibt, zeigen die Schwimmer. In Peking 2008 war es das Doppel-Gold von Britta Steffen, das den Verband besser aussehen ließ als seine Strukturen hergaben. Die Amtszeit der seit 16 Jahren amtierenden Präsidentin Christa Thiel neigt sich definitiv dem Ende entgegen. Mit ihr wird der geforderte Neuaufbau nicht zu realisieren sein.

In anderen Verbänden hat Hörmann dagegen neuen Schwung entdeckt. Konkretisieren musste er das nicht. Hörmann hatte nach Intensivgesprächen mit dem Bundesminister des Innern in Berlin „eine große Spitzensportreform nach Rio“ angekündigt. Wie die wirklich aussehen soll, ist offen. Hinter vorgehaltener Hand wird aber schon seit Wochen kolportiert, dass es erhebliche Meinungsunterschiede zwischen Berlin und Frankfurt über drohende Konzentrationsmaßnahmen und Neuausrichtungen gibt.

Dass nicht automatisch mehr Gelder zur Verfügung gestellt werden, liegt auf der Hand. Thomas de Maizière will wissen, wofür das Geld der Bürgerinnen und Bürger ausgegeben werden soll. Sicher nicht, um immer noch mehr alternden Sportfunktionären die Lustreisen nach Olympia zu finanzieren.

Hörmann setzt auch in der Zukunft weiter darauf, dass „ein Olympiasieg das Leben eines Athleten nicht unwesentlich verändern kann“. Es komme auf jeden Einzelnen an, was er daraus macht. Genau das werfen die Athleten dem Dachverband vor. Dass man Medaillen für den deutschen Sport gewinnen soll, sich um Verdienst und das Leben aber selbst kümmern soll. Die Kultivierung der „dualen Karriere“ funktioniert in Deutschland längst nicht flächendeckend. Auch, weil der Stellenwert des olympischen Spitzensports in Deutschland eher fällt als steigt. Eine schwierige Situation.