Olympia Deutsches Gold im Sand der Copacabana
Olympiasieg Kira Walkenhorst und Laura Ludwig triumphieren im Heimatland des Beachvolleyballs. Der Weg dorthin war vor allem für eine der beiden mit Rückschlägen gepflastert.
Rio. Vor vier Jahren saß Kira Walkenhorst als Zuschauerin in London auf der Tribüne und erlebte mit, wie Julius Brink und Jonas Reckermann olympisches Gold gewannen. „Damals habe ich mir gedacht, wenn die das können, will ich es auch schaffen.“ Am frühen Donnerstagmorgen - genau um 0.43 Uhr - sinkt die 25-jährige gebürtige Essenerin im Beachvolleyball-Stadion von Rio de Janeiro auf die Knie und fällt anschließend in die Arme ihrer Partnerin Laura Ludwig. Es ist vollbracht. 21:18, 21:14 gegen die brasilianischen Weltmeisterinnen Agatha Bednarczuk Rippel und Barbara Seixas de Freitas. Gold.
Fast eine Minute verharren die Hamburgerinnen in inniger Umarmung, bis sie sich von den deutschen Zuschauern feiern lassen. Kaum mehr etwas ist zu hören von der Stimmgewalt der brasilianischen Fans, die vor dem Spiel ein akustisches Spektakel veranstaltet hatten. „Als unserer Gegnerinnen auf den Platz kamen, haben wir unsere eigenen Worte nicht mehr verstanden. Da habe ich Gänsehaut bekommen“, erzählt Laura Ludwig. Doch anschließend vergeht dem Brasilien-Team Hören und Sehen. Selbst vom Wind, der mit Spielbeginn schlagartig stark auffrischte, lässt sich das deutsche Duo nicht beeindrucken. „Ich habe mir gedacht, jetzt machen wir unseren eigenen Sturm“, so Walkenhorst.
Nur Mitte des ersten Satzes haben die Brasilianerinnen zweimal einen Punkt Vorsprung. „Ich hatte Respekt vor deren Aufschlagstärke. Aber mir war klar: Wenn unsere beiden das zeigen, was sie schon gezeigt haben, sind sie die Favoriten“, erklärt Jonas Reckermann. Es ist eine Demonstration der Stärke in der Welt des Schmetterns, Pritschens und Baggerns — ausgerechnet in der Heimat des Beachvolleyballs. Draußen an der Copacabana spielen sie am Strand und die Straßenverkäufer bieten Billig-Duplikate der Goldmedaillen an.
Im Stadion verdienen sich Ludwig/Walkenhorst die echten Plaketten im Eiltempo. Nach 43 Minuten landet ein Aufschlag der Brasilianerinnen im Aus, die deutsche Party kann beginnen. „I need Champagner“, ruft Kira Walkenhorst, als ihr in der Mixedzone nicht das richtige englische Wort einfällt. Auch Laura Ludwig denkt an Getränke. „Ich hoffe, die haben hinten ein paar Caipis kalt gestellt, ich muss meine Stimme ölen.“
Vor vier Jahren in London war es ihr nicht nach Feiern gewesen. Sie schied mit Sara Goller im Viertelfinale aus und musste sich eine neue Partnerin suchen. Sie rief Kira Walkenhorst an. Die 1,85 m lange Angreiferin galt als großes Talent. Dann sprachen sie bei Jürgen Wagner vor, der bereits Brink/Reckermann als Cheftrainer zum Olympiagold geführt hatte. Sie beschlossen, es gemeinsam zu versuchen, und formten ein Team aus Trainern, Ärzten und Psychologen. „Wagner hat unsere Philosophie geändert“, so Walkenhorst.
Statt Trainingsspielchen gab es Athletikschule und immer wieder Technikübungen. „Das haben wir so verinnerlicht, dass es auch funktioniert, wenn sich im Gehirn Nervosität breitmacht.“ Die ersten Erfolge stellen sich ein, aber es gibt auch Rückschläge. Die schlaggewaltige Walkenhorst hat eine umfangreiche Krankenakte. Sie ist erst 25, hatte aber bereits zwei Kreuzbandrisse und eine Schulteroperation zu verkraften. Der schwarze Tape-Verband ist nicht zu übersehen. Selbst vom Pfeifferschen Drüsenfieber lässt sie sich nicht unterkriegen und startet mit ihrer Partnerin durch.
Sie werden Europameisterinnen, gewinnen in diesem Jahr einige Turniere und feiern bei Olympia den größten Triumph. Zum ersten Mal gewinnt ein europäisches Frauenteam eine Medaille. „Wir haben uns von Spiel zu Spiel gesteigert und uns verdient durchgesetzt“, sagt Walkenhorst selbstbewusst. „Wir haben ein starkes Team hinter uns.“ Die Psychologin bereitet die Spielerinnen auf die heiße Atmosphäre in Rio vor. Die Trainer versuchen mithilfe eines Computerprogramms, die Taktik des Gegners zu erforschen. Und wenn sich Laura Ludwig, wie nach dem Halbfinale, „sehr alt fühlt“, hilft das Ärzteteam.
Am frühen Donnerstag ist sie putzmunter. An ihren Plänen nach der Rückkehr in die Heimat wird der Olympiasieg zunächst nichts ändern. „Ich werde mich aufs Sofa setzen, die Beine hochlegen, den Fernseher anmachen und ein Glas Wein trinken.“ Naja, ein bisschen wird das Gold ihr Leben schon durcheinanderwirbeln, räumt sie ein. „Es werden ein paar Terminchen dazukommen.“