Olympia Triumph in der Sandburg des Löwen
Laura Ludwig und Kira Walkenhorst feiern eine bemerkenswerte Gold-Medaille und haben in Rio auch zwei Kollegen bezwungen.
Rio. Deutsche und brasilianische Fans gönnten sich in der historischen Nacht von Rio in den Strandbars hinter der gigantischen Beachvolleyball-Arena noch einen Absacker. Im Mitternachtsmatch bei Vollmond hatte das brasilianische Weltmeister-Duo Agatha und Barbara keine Sonne gesehen, die deutschen Weltranglistenersten Laura Ludwig und Kira Walkenhorst holten sich nicht in der Höhle, sondern in der Sandburg des Löwen, am Posto 2, dem Herzen des brasilianischen Beachvolleyballs, Gold. Als erste Europäerinnen. Und völlig verdient.
Als die beiden reich Bescherten den Hinterausgang der 11000 Zuschauer fassenden Arena verließen, um den offiziellen Teil der Nacht gegen 2 Uhr bei der Pressekonferenz zu beschließen, sprangen Fans aus beiden Lagern auf der anderen Seite des Zaunes überrascht auf: „Deutschland, Deutschland“-Schlachtrufe gab es; und so etwas, was wie „Danke schön“ klang und aus dem lächelnden Mund von Menschen mit Brasilien-Trikot kam. Zudem stellten sich Laura Ludwig und Kira Walkenhorst immer wieder Volunteers in den Weg, wollten ein Selfie, ein Autogramm oder einfach nur gratulieren. Olympiasieger haben viele Freunde. Die 30 Jahre alte, positive Energie ausstrahlende Berliner Göre Ludwig und das 25-jährige, brutal ehrgeizige Essener Kraftpaket Walkenhorst besonders viele.
„Die Deutschen haben definitiv verdient gewonnen, haben einfach besser gespielt“, sagte beispielsweise Agatha. „Wir sind sehr glücklich.“ Trotz 0:2-Niederlage (18:21, 14:21). Ludwig/Walkenhorst spielten ein überragendes Turnier, gewannen alle elf Spiele, gaben dabei nur einen Satz ab und landeten zwei vielbeachtete Teilerfolge: Zum einen bedeutete die von ihnen geholte zwölfte Goldmedaille eine schon jetzt feststehende Verbesserung der deutschen Gold-Bilanz gegenüber den London-Spielen — vor vier Jahren schloss Deutschland das Sportfest mit elf Mal Gold ab. Zum anderen hatten die attraktiven Zwei bereits beim 2:0-Halbfinalsieg gegen die Brasilianerinnen Larissa/Talita die bis dahin höchste Einschaltquote im deutschen Fernsehen bei den Rio-Spielen aufgestellt. Mit 8,52 Millionen Zuschauern haben sie auch den London-Rekord ihrer Kollegen Julius Brink und Jonas Reckermann, aufgestellt im Gold-Finale (8,06 Millionen), mal eben geschlagen.
Laura Ludwig war damals dabei. Saß auf der Tribüne. Und dachte: „Die können das, ich will auch.“ Mit Sara Goller war sie vor vier Jahren Fünfte geworden, 2008 in Peking Neunte. Zeit für etwas Neues: Jürgen Wagner, der Brink/Reckermann zu Gold trainiert hatte, übernahm, Kira Walkenhorst bekam ein Jahr Probezeit. Und fiel später fast ein ganzes Jahr aus, weil sie an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt war. Es lief nicht immer rund. Wer seine Karriere auf Sand baut, weiß, dass man das nicht erwarten darf. Klar, die Gedanken an die Vergangenheit seien ihr bei der Siegerehrung durch den Kopf geschossen, nickte Laura Ludwig und sagte: „Boah, die ganzen letzten vier Jahre.“ Dann unterbrach sie sich mit einem gehauchten „Scheiße“ und wischte sich dicke Tränen von den Wangen. „Wir haben super hart gearbeitet. Alle.“
Beachvolleyball-Gold holt man sich nicht mit ein paar betreuten Strand-Urlauben. Zum engen Team gehören die Sportpsychologin Anett Szigeti und Balltrainerin Helke Claasen. „Ich freue mich sehr, was die Mädchen umgesetzt haben, dass sie diese vier Jahre Arbeit mit immer mehr Elementen so auf den Punkt gebracht haben“, sagte Trainer Jürgen Wagner. Der 60-jährige Perfektionist ist wie bei Brink/Reckermann der Vaters des Erfolges. Er hat Ludwig/Walkenhorst zum Muster für das Frauen-Beachvolleyball gemacht: schlagfertiger, schlagkräftiger, raffinierter, gelassener als alle anderen. „Wie Kira bei ihren ersten Spielen mit dem ganzen Rummel umgegangen ist. Sie war im Finale die Coolste“, sagte Laura Ludwig anerkennend über ihre Partnerin, die vor ihrer Zusammenarbeit schon zwei Kreuzbandrisse verkraften musste. Die Blockerin sagte auch nach dem Match ganz cool: „Wenn der Traum in Erfüllung geht - krass.“
Noch krasser, wenn man beim Verlassen des Stadions durch den Hinterausgang so viel Anerkennung erfährt.