Die „Social Media Games“: Wenn Sportler twittern

London (dpa) - Maria Scharapowa twittert nicht. „Mein Leben ist langweilig“, behauptet das Tennis-Starlet. Andere Olympioniken halten sich da für interessanter und zwitschern in 140 Zeichen, was das Zeug hält.

Die Sommerspiele in London sind die ersten „Social Media Games“, denn Facebook explodierte seit Peking 2008 von 100 auf über 900 Millionen Mitglieder, Twitter von sechs auf 600 Millionen. Zum 100-Meter-Sprint mit Usain Bolt erwarten Experten einen Weltrekord für die meisten Tweets pro Sekunde. Gefühlt waren die Fans noch nie so dicht dran an ihren Lieblingen und das Internationale Olympische Komitee (IOC) reagierte auf die Gefahren im World Wide Web mit einem Regelwerk für seine Athleten. Dennoch gab es bei Twitter schon Skandälchen.

Deutschlands Fahnenträgerin Natascha Keller wurde zum Opfer. Ein Journalist setzte einen anti-griechischen Twitter-Fake-Beitrag der Hockeyspielerin in die Welt. Der deutsche Chef de Mission, Michael Vesper, schimpfte über „eine erbärmliche Aktion“. Keller löschte ihre Konten bei Facebook und Twitter. Das tat auch Dreispringerin Voula Papachristou aus Griechenland, aber erst nachdem sie selbst mit einem rassistischen Spruch einen Eklat via Twitter ausgelöst hatte: „Mit so vielen Afrikanern in Griechenland werden die Mücken aus dem West-Nil zumindest Essen von zu Hause bekommen.“ Sie wurde heimgeschickt.

Die Athleten müssen diesmal höllisch aufpassen, was sie so im Netz verbreiten. Sie sollen „in einem Ich-Form-Tagebuch-Format“ schreiben, heißt es in den IOC-Richtlinien, also keine Wettbewerbe oder anderen Teilnehmer „wie ein Journalist“ kommentieren. Hier lauert wohl die Gefahr der Wett-Manipulation, wenn Sportler Interna ausplaudern! Die Olympioniken müssen in sozialen Netzwerken Hinweise auf persönliche Sponsoren entfernen, die keine Olympia-Geldgeber sind! Und sie dürfen zwar Fotos hochladen, aber keine Videos aus den Wettkampfstätten, zum Schutz der Rechteinhaber. Zu kontrollieren ist das freilich kaum.

Olympia-Organisationschef Sebastian Coe lästerte kürzlich: „Ich habe einen engen Zusammenhang entdeckt zwischen der Anzahl an Tweets, die ein Wettkämpfer schickt, und schlechten Leistungen.“ Auch er ist mit seinem Organisationskomitee unter strengerer Beobachtung denn je. Als der zweimalige 400-Meter-Hürden-Weltmeister Kerron Clement (USA) bei seiner Bus-Anreise zum olympischen Dorf eine Irrfahrt erlebte, schoss er in Echtzeit eine Nachricht in die Welt: „Kein guter erster Eindruck von London. Die Athleten sind müde, hungrig und müssen pinkeln.“ 1996 in Atlanta verfuhren sich auch Busse, aber es bedurfte eines Sitzstreiks der Sportler, um darauf aufmerksam zu machen.

Die Verbände sind lieber mittendrin als außen vor. Der Deutsche Olympische Sportbund promotet über sein Twitter-Profil die Accounts seiner Athleten und den Slogan „Wir für Deutschland“. DOSB-Sprecher Christian Klaue warnt aber: „Wenn man eine breite Straße zu den Fans baut, baut man eine Autobahn zurück. Da kann Druck entstehen. Deshalb empfehlen wir, zwei Tage vor dem Wettkampf nicht mehr im sozialen Netzwerk aktiv zu sein, sondern sich zu konzentrieren.“

Der britische Spitzenturner Louis Smith hat sich vor Olympia extra aus den leicht ablenkenden und durchaus zeitintensiven Plattformen zurückgezogen. „Ich will meine Augen nur noch auf die Medaille richten“, sagte Smith. Seine Schwimmkollegin Rebecca Adlington wurde einst Cyber-Mobbing-Opfer bei Twitter, als sie ein junger Mann als „Wal“ mit einer „Haifischflossen-Nase“ bezeichnet hatte. „Ich bin unsicher, was mein Aussehen angeht und die Kommentare der Leute verletzen mich“, sagte sie dazu. Das deutsche Tennis-Ass Julia Görges zwitscherte zuletzt aus einem anderen Grund nicht: „Ich habe gerade keine kreative Phase und will nicht immer dasselbe schreiben.“

Natascha Keller hat nun im realen Leben, und nicht als Fake, den deutsch-griechischen Kontakt gesucht. Bei der Eröffnungsfeier ließ sie sich mit dem griechischen Flaggenträger knipsen: „Vielleicht sorge ich jetzt ja für die deutsch-griechische Freundschaft.“