Fahnenträgerin Keller: „Das I-Tüpfelchen der Karriere“

London (dpa) - Nach zwölf Jahren wird erstmals wieder eine Frau die deutsche Mannschaft als Fahnenträgerin bei Olympischen Sommerspielen anführen.

„Das ist der I-Tüpfelchen meiner Karriere“, freute sich Hockey-Rekordnationalspielerin Natascha Keller, dass sie bei der Eröffnungsfeier der London-Spiele vor den rund 200 deutschen Athleten ins Olympia-Stadion einmarschieren darf. „Es wird eine tolle Motivation für mich und meine Mannschaft“, sagte die 35-jährige vom Berliner HC bei der Bekanntgabe im deutschen Haus von London.

Natascha Keller tritt in wirklich große Fußstapfen. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking hatte Basketball-Superstar Dirk Nowitzki die Fahne getragen. „Ich habe schon Bedenken, ob ich es so hinkriege wie Dirk Nowitzki, der größer und stärker ist als ich“, meinte die Olympiasiegerin von 2004. Der NBA-Riese gratulierte seiner Nachfolgerin und machte ihr Mut. „Herzlichen Glückwunsch. Freu mich riesig für dich. Und keine Angst: So schwer ist die Fahne nicht. Viel Glück und genieß es“, twitterte Nowitzki.

Die Hockey-Dame von Spree ist erst die fünfte Frau unter den 25 Fahnenträgern seit 1908 - und die erste aus dem Westen Deutschlands. Ingrid Engel-Krämer (1964), Karin Balzer (1968), Kristina Richter (1980) waren Athletinnen aus der DDR. Birgit Fischer (2000) wurde im Osten sportlich groß und dann zur deutschen Rekord-Olympionikin.

„Bei den Spielen in London werden erstmals alle Ländern Frauen in ihren Mannschaften haben. Da finden auch wir es endlich wieder an der Zeit, dass wir eine Fahnenträgerin haben“, begründete Chef de Mission Michael Vesper die Kür von Natascha Keller. Sie sei eine Sportlerin mit enormer Ausstrahlung, die auf die Tradition ihrer Familie bauen könne. „Natascha Keller ist in ihrer ganzen Art ein Vorbild und die Mannschaft wird sich gern hinter ihr versammeln“, ergänzte Vesper.

Großer Verlierer bei der Auswahl des Fahnenträgers ist Sportschütze Ralf Schumann. Der 50-jährige dreimalige Olympiasieger wird zum siebten Mal bei Sommerspielen antreten. „Er ist kein Verlierer“, sagte Vesper. „Es ist keine Entscheidung gegen jemanden, sondern für Natascha Keller.“ Intensiv habe man sich mit ungefähr fünf Kandidaten beschäftigt. „Alle haben es wie echte Sportsleute aufgenommen, da bleibt nichts zurück“, berichtete Vesper, der nichts von einem Casting „Deutschland sucht den Super-Fahnenträger“ wissen wollte. Zu den Anwärtern zählten auch noch Timo Boll (Tischtennis) und Matthias Steiner (Gewichtheben) oder Anna Dogonadze (Trampolin).

Die Keller-Dynastie reicht von den Olympia-Teilnahmen von Opa Erwin (1936 in Berlin/Silber) über Vater Carsten (1972 in München/Gold), Halbbruder Andreas (1992 in Barcelona/Gold), bis Bruder Florian (2008 in Peking/Gold). „Ich freue mich auf den besonderen Moment und werde besonders aufgeregt sein“, sagte Natascha Keller, für dies ihr fünfter und letzte Olympia-Start seit 1996 ist.

Dass die Hockey-Damen in London dabei sind, habe sie auch ihr wesentlich zu verdanken: Bei der EM 2011 in Mönchengladbach machte sie acht Minuten vor Spielende mit ihrem Siegtor zum 2:1 (1:1) im Halbfinale gegen Spanien die direkte Qualifikation perfekt. „Das ist die Krönung einer ohnehin schon extrem erfolgreichen Karriere und eine Hommage an die ganze Keller-Familie mit ihrer einzigartigen olympischen Geschichte“, sagte DHB-Präsident Stephan Abel über die erste deutsche Fahnenträgerin aus dem Hockeysport.