Geisterstadt London — die normalen Touristen bleiben weg

Taxifahrer, Gastronomen und Museen klagen über drastischen Kunden- und Besucherrückgang in der Metropole.

London. Leere Läden, leere U-Bahnen, leere Sitzplätze: Statt Mega-Staus lähmt zurzeit gespenstische Ruhe die britische Hauptstadt. Aus Angst vor einem Verkehrschaos machen Hunderttausende Touristen einen Bogen um die Olympia-Metropole. Sterneköche, Schauspieler und Taxifahrer klagen in der „Geisterstadt“ über die Flaute des Jahrzehnts.

Monatelang hatten Stadt und Verkehrsbetriebe den Großstädtern eingehämmert, dass London zu Olympia aus allen Nähten platzen würde: Arbeitet von Zuhause! Plant Umwege! Geht später ins Büro! Die Botschaft ist angekommen, vielleicht zu deutlich. Die Mittagszeit in Westminster, sonst ein Meer aus Anzügen und Aktentaschen, ist gespenstisch ruhig. 4000 Beamte nutzen in den Olympia-Wochen ihren Schreibtisch daheim — und in Sandwich-Buden starren Verkäufer gelangweilt auf leere Straßen.

Trotz der Sportfans in der Stadt sind die Schlangen an den Ampeln so kurz, dass die Verwaltung zur Überraschung der Taxi-Fahrer die Sonderspuren wieder für alle freigegeben hat. Über den umkämpften Extrameter Asphalt können sie sich aber nicht freuen: Sie haben keine Kunden. Die Taxis stehen still. „Das ist der schlechteste Sommer, den ich je erlebt habe“, wettert Black-Cab-Chef Steve McNamara, „20 bis 40 Prozent der Passagiere fehlen uns. Wir haben keine Ahnung, wie sich die Olympia-Gäste durch die Stadt bewegen.“

Die Antwort ist erstaunlich: Das viel gescholtene U-Bahn-System funktioniert seit Auftakt der Spiele ausnahmsweise tadellos. Und das Gros der Sport-Besucher pendelt nur zwischen Hotel und Olympiagelände im East End hin und her, ohne unterwegs viel Geld auszugeben.

Für das West End rund um Kensington, Covent Garden und Oxford Circus ist das ein Schock. „Olympia ist eben eine großartige Vorstellung, ein echter Publikumsrenner“, sagt Theater-Managerin Nica Burns tapfer. Die Häuser spielen vor fast leeren Reihen. Die Besucherzahl im London Zoo hat sich fast halbiert. Nicht einmal vor Madame Tussaud’s gibt es Warteschlangen.

300 000 ausländische und 800 000 britische Besucher verzeichnet die Londoner Innenstadt im Schnitt — jeden Tag. Aber eben nicht während Olympia. „Den Leuten wurde gesagt, dass sie besser Zuhause bleiben sollen, und das tun sie jetzt“, so Tom Jenkins, Chef der Gesellschaft Europäischer Tour-Anbieter, „uns fehlen trotz Sport-Touristen 30 Prozent der Sommergäste.“

15 Milliarden Euro Extra-Einnahmen durch die Spiele hatte Premier David Cameron dem Land versprochen. Die Zweifel daran wachsen, der Zorn in den leeren Restaurants und Läden auch. Vor allem Bürgermeister Boris Johnson steht in der Kritik. Seine drastischen Warnungen vor dem Besucheransturm hätten die große Flaute überhaupt erst verursacht.