Hörmann: „Nein für München eröffnet Chance für Hamburg“
Düsseldorf (dpa) - Für DOSB-Präsident Alfons Hörmann ist es müßig zu spekulieren, wie die Wahl der Winterspielestadt für 2022 beim Kongress des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ausgehen würde, wenn München - das am Bürgerwiderstand scheiterte - noch Kandidat wäre.
Nun stehen nur noch Almaty und Peking zur Auswahl. „Dass es uns schmerzt, ist klar“, sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes. „Das Nein für München eröffnet aber die Chance für ein Ja für Hamburg“, fügte Hörmann mit Blick auf die Bewerbung um die Sommerspiele 2024 hinzu.
Almaty oder Peking? Welche Stadt würden sie als DOSB-Präsident und ehemaliger Ski-Präsident als Wintersportort 2022 bevorzugen? Kompakte Spiele in Almaty mit richtigem Schnee oder weitläufige mit Kunstschnee und in vorhandenen Sporthallen in Peking?
Alfons Hörmann: Ich bin gespannt, wie in so einem offensichtlichen Kontrastfall die Gewichtung ausfällt. Für das IOC ist es eine interessante Gemengelage. Auf der einen Seite hat man ein etabliertes Wintersportzentrum mit natürlichem Schnee in Almaty und mit Peking einen Bewerber, der das Ziel hat, ein neues Wintersportzentrum der etwas künstlichen Art zu schaffen. Was die Kompaktheit angeht, gibt es schon signifikante Unterschiede. In Almaty, wo die Sportstätten in einem Radius von 35 Kilometern liegen, wäre die Situation für Athleten und Trainer besser zu handhaben. Dagegen sind von Peking eine Reihe von Sportstätten fast 200 Kilometer entfernt.
Werden Sie eine Träne im Auge haben, wenn Almaty oder Peking den Zuschlag bekommt - und nicht München, das die Winterspiele 2022 gern haben wollte, aber am Widerstand der Bürger gescheitert ist?
Hörmann: Die Tür haben wir selbst geschlossen in Bayern. Die Bürger haben Nein gesagt. Es wäre nun müßig darüber zu spekulieren, was würde jetzt rauskommen. Dass es uns schmerzt, ist klar. Alles andere wäre schöngeredet. Das Nein für München eröffnet aber die Chance für ein Ja für Hamburg.
Wie in Baku spielt auch die Menschenrechtsfrage bei Almaty und Peking eine Rolle? Wie ernst muss der Sport dieses Thema nehmen?
Hörmann: Das IOC hat seine Schlüsse aus der Vergangenheit gezogen. Peking 2008 ist noch nicht so lange her, auf diese Erfahrungen kann man aufbauen. Es gibt von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen klare Bewertungen, dass beide Länder in der Umsetzung der Menschenrechte und der Pressefreiheit kritisch einzuschätzen sind. Deshalb hat es nicht ohne Grund eine Klärung zwischen IOC und den beiden Ländern in diesen Frage gegeben. Ich denke, dass Olympische Spiele bei der Verbesserung von Menschenrechten und Pressefreiheit eher helfen als schaden. Wie hilfreich und wie viel sich verändert, darüber kann man trefflich diskutieren. Diese beiden Themen dürften die größte Herausforderung bei der Umsetzung beider Konzepte sein.
Wie läuft es bei der Hamburger Bewerbung für die Sommerspiele 2024?
Hörmann: Alle Maßnahmen von der Abstimmung mit den Verbänden bis hin zur Fertigstellung des Mini Bid Books laufen planmäßig. Es gibt keine konzeptionellen Abweichungen. Und bei einem Treffen mit IOC-Vertretern in Lausanne hat das IOC klar und erkennbar für eine kostensparende und dezentrale Konzeption geworben. Das hätte vor zwei, drei Jahren sicher etwas anders ausgesehen. Nun können wir zum Beispiel abwägen, ob Kanuslalom auf einer Anlage wie in Markkleeberg stattfinden kann oder eine neue Strecke in Hamburg gebaut wird.
Am 29. November sollen die Hamburger in einem Referendum über die Bewerbung abstimmen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass diese entscheidende Hürde genommen wird?
Hörmann: Es wird noch zahlreiche Aktivitäten im Herbst geben, um die Hamburger Bürger auf das Referendum vorzubereiten, und - toi, toi, toi - ein positives Votum zu erreichen.
Es ist ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Wie stark ist der deutsche Spitzensport? Was darf man 2016 erwarten?
Hörmann: Für eine Prognose ist es noch zu früh, man muss erstmal sehen, welche Teams und Einzelsportler sich qualifizieren. Im Fußball hat es eine positive Entwicklung mit der Olympia-Qualifikation der Männer und Frauen gegeben. Bei den Fechtern gab es bei der WM genau die gegenteilige Entwicklung, aber da ist auch noch nicht aller Tage Abend. Am Beispiel Fechten sieht man schön, dass man nicht automatisch davon ausgehen kann und darf, dass diejenigen, die in der Vergangenheit schöne Erfolge erzielt haben, auch automatisch die Garanten in der Zukunft sind.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat den deutschen Sport kritisiert und - verkürzt gesagt - gefordert: mehr Medaillen für das gleiche Fördergeld. Und: Bei den Olympischen Spielen in London hätte ein Drittel mehr an Medaillen herauskommen müssen. Was sagen Sie dazu?
Hörmann: Was uns mit Minister de Maizière eint: Ein einfach 'Weiter so' kann es nicht geben. Deshalb haben wir das Projekt 'Leistungssport der Zukunft' aufgesetzt. Der Unterschied zwischen den Erwartungen des Ministers und unseren eigenen Ziele ist nicht so groß. Es ist die gleiche Grundtendenz. Wir haben eine grundsätzliche Analyse des Systems vorzunehmen, und die Schlüsse für die Zukunft müssen gezogen werden. Ob es dann möglich sein wird, wie Minister de Maizière es ausdrückt, 30 Prozent mehr Medaillen für das gleiche Geld zu gewinnen, ist aktuell schwer zu sagen.
Thomas Bach ist seit zwei Jahren im IOC-Präsidentenamt. Wie bewerten Sie seine bisherige Amtsführung?
Hörmann: Aus meiner Wahrnehmung hat er die Erwartungen vieler im deutschen Sport und im Weltsport erfüllt oder sogar übererfüllt. Er kann mit großer Zufriedenheit auf die vergangenen zwei Jahre blicken. Er hat einen Start nach Maß hingelegt und wird sicher noch weitere wichtige Schritte hinzufügen.
ZUR PERSON: Alfons Hörmann ist seit Dezember 2013 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Nachfolger von Thomas Bach. Zuvor war Hörmann Präsident des Deutschen Skiverbandes.