Gnade nach den Winterspielen IOC windet sich aus „russischem Drama“
Pyeongchang (dpa) - Voller Trotz schmetterten Russlands Kufencracks nur kurz nach der vom IOC verweigerten Begnadigung ihre in Pyeongchang verbotene Hymne durch die olympische Eishockey-Arena.
Der glückliche Gold-Triumph im Finalkrimi gegen das deutsche Team linderte den Schmerz der Russen darüber, dass ihnen das Internationale Olympische Komitee am Sonntag auch bei der Schlussfeier den Einmarsch unter eigener Fahne und in der längst bereitliegenden Teamkleidung verweigert hatte. Zu schwer wogen die erneuten Doping-Sündenfälle der Russen bei den Winterspielen. Doch schon in wenigen Tagen könnten die als Strafe für den organisierten Sportbetrug von Sotschi 2014 verhängten Sanktionen enden.
Sollten alle weiteren Dopingproben von Pyeongchang als negativ bestätigt werden, wird die Suspendierung von Russlands Olympischem Komitee (ROC) aufgehoben. Vorbei wären dann Szenen wie bei der letzten Siegerehrung von Pyeongchang, als für die zwei russischen Medaillengewinner über 50 Kilometer im Ski-Langlauf nur die weiße Fahne mit den olympischen Ringen gehisst werden durfte. Den Kunstgriff einer leicht verlängerten Bewährungszeit hatte die IOC-Exekutive nach schwierigen Beratungen an den letzten zwei Olympia-Tagen beschlossen und damit die schwierigste Frage der Spiele geschickt beantwortet. Für den Moment jedenfalls.
Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, nannte den Beschluss ein „Ausrufezeichen für den Weltsport“. Die Russen kommen allerdings gut davon. Sie werden rehabilitiert, obwohl sie den so genannten McLaren-Report, in dem die großangelegten Manipulationen in ihrem Land dokumentiert sind, nach wie vor nicht anerkennen. Außerdem ist ihre Anti-Doping-Agentur gesperrt, weil sie den internationalen Standards nicht gerecht wird. Und in Pyeongchang sorgten russische Athleten für zwei der vier Dopingfälle.
Das ROC erwartet dennoch, dass seine IOC-Mitgliedschaft schon „in den nächsten Tagen wieder in Kraft gesetzt wird“, wie es mitteilte. Nicole Hoevertsz, die mit ihrer IOC-Kommission das Verhalten der Russen während der Spiele beobachtet und bewertet hat, geht laut der russischen Nachrichtenagentur Tass ebenfalls davon aus, dass der Bann schon in den ersten Märztagen aufgehoben werden kann. Binnen 72 Stunden würden die Dopingproben der Russen analysiert.
Falls sich alle Proben als negativ erweisen, werde die Suspendierung automatisch enden, sagte IOC-Präsident Thomas Bach. Es wäre ein Schlussstrich unter das „russische Drama“ (Hoevertsz). Falls es bei späteren Untersuchungen eingefrorener Proben von Pyeongchang neue Hinweise auf Doping durch russische Athleten gäbe, „würden die genauso behandelt wie die von allen anderen Nationen“, betonte Bach.
Einen „Schlüsselfaktor“ nannte er die Dopingfälle des Curlers Alexander Kruschelnizki und der Bobfahrerin Nadeschda Sergejewa. „Das war sehr enttäuschend und hat das IOC - zusätzlich zu anderen Überlegungen - davon abgehalten, auch nur darüber nachzudenken, die Suspendierung für die Schlussfeier aufzuheben“, hieß es in einer IOC-Mitteilung.
So zogen die Russen am Sonntagabend wieder ohne große Emotionen in grauen Mänteln, Jeans und mit weißen Schals ins Olympiastadion ein - anstatt mit eigenem Fahnenträger und im schon vor Tagen angelieferten Outfit der russischen Mannschaft. Nur auf den Rängen flatterten ein paar russische Fahnen, Fans stimmten vereinzelt „Rossija, Rossija“-Sprechchöre an.
„Wir machen mit dieser Entscheidung nicht alle glücklich“, sagte Nicole Hoevertsz, die Vorsitzende der IOC-Bewertungskommission. Die Nachwirkungen des russischen Dopingskandals überschatteten auch die Tage von Pyeongchang. Vor vier Jahren hatte Russland als Gastgeber der Winterspiele in Sotschi die positiven Dopingproben eigener Athleten illegal durch den Geheimdienst und auf Geheiß staatlicher Stellen öffnen und manipulieren lassen.
Das dreiköpfige Gremium um Hoevertsz hatte während der Spiele geprüft, ob die Russen einen Verhaltenskodex nach „Buchstaben und Geist“ befolgt haben und der IOC-Exekutive eine Empfehlung für eine Wiederaufnahme Russlands gegeben. Auf Basis dieses Reports hatte sich Olympias Führung am Samstag nach mehr als dreistündiger Beratung vertagt und erst am Sonntagmorgen um 8.55 Uhr zur Entscheidung durchgerungen.
In ihrem Bericht vor der Session hatte Hoevertsz bestätigt, dass sich die 168 Olympischen Athleten aus Russland und ihre Teamleitung in Südkorea tadellos verhalten haben. Zu den beiden aufgeflogenen Dopern sagte sie: „Beides waren individuelle Fälle. Es gab keine Hinweise auf systematisches und organisiertes Doping.“ Auch die russischen Zuschauer hätten sich betragen. Zudem überwies das ROC am 20. Februar die vom IOC geforderte Strafzahlung von 15 Millionen Dollar. Das Geld ist für Maßnahmen im Anti-Doping-Kampf vorgesehen.
Hoevertsz, die frühere Synchronschwimmerin von der Karibik-Insel Aruba, betonte, dass „Russland an den Winterspielen in Pyeongchang nicht teilgenommen“ habe. „Alle Ergebnisse und Medaillen wurden von OAR-Athleten erreicht.“