Olympia kein lupenreiner Erfolg für Putin

Sotschi (dpa) - „Russland - groß, neu, offen“ prangt in Sotschi als Slogan in riesigen Lettern im Olympia-Park. Bei der Wintershow unter Palmen präsentierte Präsident Wladimir Putin sein immer wieder kritisiertes Land als moderne Großmacht.

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Doch in dem Kurort am Schwarzen Meer fehlte echter Glanz: Demonstrativ verweigerten Staatenlenker wie US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Reise zu „Putins Spielen“. Gastgeber Russland steht wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik - auch während des Ringe-Spektakels. Kreml- und Olympia-Gegner wurden festgenommen. Nichts sollte „Putins Spiele“ beschmutzen.

Der Kremlchef wird sogar bald Merkel und Obama Russlands neue Modellstadt in den Subtropen vorführen können. Im Juni stehen Gipfel der EU und der G8-Staaten in Sotschi an. „Dann wird es die Bilder geben, die Putin zu gerne schon jetzt gesehen hätte: Die Mächtigen der Welt kommen nach Russland - und der Präsident begrüßt sie als gleichberechtigter Gastgeber“, meint der Politologe Nikolai Petrow vom Moskauer Carnegie-Zentrum. Das Familienfoto mit den Chefs der freien Welt sei für Putin eine „lukrative Dividende“ der Rekordausgaben von 37,5 Milliarden Euro, sagt Petrow dem Radiosender Echo Moskwy.

Putin selbst machte sich in der zweiten und für die Russen weniger erfolgreichen Medaillen-Woche rarer als an den ersten Tagen der Winterspiele. Noch am Anfang lag er in Eispalästen als „Edel-Fan“ und Dauergast in den Armen von Eiskunstlauf-Goldgewinner Jewgeni Pluschenko, bei den Eishockeyprofis um NHL-Star Alexander Owetschkin, an der Loipe bei den russischen Biathlon-Hoffnungen.

Der ehemalige Geheimdienstchef gab sich locker wie selten. Mit Österreichern sang er Lieder, mit Schweizern stieß er mit Rotwein an, mit Amerikanern frotzelte er über den Medaillenspiegel. Doch die hartnäckigen Berichte über Korruption, sklavenähnliche Ausbeutung von Gastarbeitern, Terrorgefahr und zerstörte Natur bei Olympia, die auch viele Russen erzürnen, konnte Putin nicht weglächeln. Mit dem Präsidenten an vorderster Stelle waren die Spiele hochpolitisch.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit dem Deutschen Thomas Bach an der Spitze überlässt Putin, dem Meister der Selbstdarstellung, die Bühne. Für viele Russen wie Homosexuelle, die Putin-Gegnerinnen von der Punkband Pussy Riot, Umweltschützer oder Menschenrechtler bleibt der Olympia-Park aber verschlossen. Sie passierten die Sicherheitsschleusen des Geheimdienstes nicht.

Neben den Jubelbildern auf den immer wieder gelobten Sportanlagen bleiben auch Erinnerungen daran, wie staatstreue Kosaken in Sotschi mit Peitschen auf die Aktivistinnen von Pussy Riot einschlugen. „Putin bringt dir bei, die Heimat zu lieben“ nennt die Gruppe ihr neues freches Video, in dem sie auch das beispiellose Polizeiaufgebot in der „Festung Sotschi“ anprangert.

Heerscharen von Sicherheitskräften sind in Stellung an der Küste und in den Bergen des Kaukasus, um die Wettkämpfe vor Terroristen zu schützen. Putin, der frühere KGB-Offizier, überlässt in Sachen Sicherheit nichts dem Zufall. Während aber nicht nur ausländische Besucher über quälende Kontrollen stöhnten, lobt der Chef der Präsidialverwaltungschef, Sergej Iwanow, die Maßnahmen. „Ich war in Sotschi und habe keine Sicherheitskräfte gesehen - obwohl ich weiß, dass sie dort waren“, sagt der Ex-Verteidigungsminister der Agentur R-Sport.

„Olympia ist Putins Lieblingsmärchen fürs Volk“, schreibt die kremlkritische Zeitung „Nowaja Gaseta“. Eigentlich sollte der Präsident jeden Satz über die Winterspiele mit der Floskel „Es war einmal in Sotschi beginnen“, schlägt das Blatt vor.

Viele Russen scheinen kurz vor dem Schlussakt die wochenlange Sotschi-Berieselung durch die Staatsmedien sattzuhaben. So antworten in einer Umfrage der Agentur Ria Nowosti auf die Frage „Was erwarten Sie von den Olympischen Spielen?“ 32 Prozent: „Ein würdiges Auftreten der russischen Mannschaft.“ Gleich danach kommt mit 23 Prozent die Antwort: „Dass sie bald zu Ende gehen.“