Olympia-Tristesse in Rio? Welche Olympia-Tristesse?
Rio de Janeiro (dpa) - Es gibt gerade jede Menge schlechter Nachrichten über Brasilien. Auch gut zwölf Wochen vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro arbeiten die Organisatoren noch immer mit Hochdruck daran, pünktlich fertig zu werden.
Und so könnte der Eindruck entstehen, ausgerechnet in der Weltstadt des Karnevals drohen die tristesten Olympischen Spiele. Doch es gibt ausgewiesene Kenner des Landes, die das alles nicht gelten lassen wollen. So wie der Diplomat, der vor allem zu etwas mehr Gelassenheit rät. All die bösen Schlagzeilen über Zika, Rezession, Politchaos und eingestürzte Olympia-Radwege kennt er auch. Dennoch: „Vor der Fußball-WM gab es praktisch bis zum Anpfiff kaum Euphorie“, sagt er. Die Brasilianer seien nun einmal Spätstarter. „Wenn es losgeht, dann wird gefeiert.“
Klar, jetzt ist auch noch Präsidentin Dilma Rousseff suspendiert worden. Nachfolger Michel Temer hat gleich Schlagzeilen produziert, weil er keines der 24 Ministerien mit einer Frau besetzt. Und seine Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) ist ebenfalls in Korruptionsfälle verstrickt. Es wird sogar spekuliert, ob bei dem 75-jährigen Temer noch etwas hochkommen könnte.
In diesen Tagen weiß man das nie in Brasilien. Temer soll am 5. August die Olympischen Spiele im Maracanã-Stadion eröffnen, dazu werden mindestens 80 Staats- und Regierungschefs erwartet, die dann auf den bisher recht unbekannten Mann an der Spitze treffen. Das bereitet schon jetzt dem Protokoll Kopfschmerzen.
Gut, dass es in diesen Tagen auch einen wie Fabinho gibt. Der 35-Jährige jongliert an der Copacabana in Rio de Janeiro mit Tomaten, Limetten und klitzekleinen Bällen. Ein Profi, natürlich im Brasilien-Trikot, der seine Kunst schon bei der Fußball-WM 2006 in Leipzig dargeboten hat. Vorfreude auf Olympia? „Blöder Zeitpunkt“, sagt er. „Wir haben keinen richtigen Präsidenten, dazu Rezession.“ Spiele der schlechten Laune? „Nein, das können wir, Freude für 15 Tage.“ Na also.
Und auch der kleine Olympia-Check lässt auf tolle Spiele hoffen:
DIE STADIEN
Im Olympiapark Barra glänzen die Stadien, hier wird alles fertig. Anders als bei Athen 2004 sind die Anlagen nicht das Sorgenkind - auch wenn einige Verbände sich über teils weit geringere Zuschauerkapazitäten als in London 2012 mokieren. Barra liegt aber weit draußen, es muss sich zeigen, wie hier die Stimmung sein wird.
STIMMUNGSMACHER COPACABANA/OLYMPIA-BOULEVARD
An der Copacabana war bei den Testwettbewerben der Beachvolleyballer und der Triathleten die Stimmung prächtig, zu tausenden standen Fans im Wasser und feuerten die Schwimmer an. Deutschland wird am Strand von Leme einen großen Pavillon der Begegnung („OliAlé“) haben. Schön wird der Olympia-Boulevard in der Hafengegend mit dem futuristischen Museum von Morgen, das Star-Architekt Santiago Calatarva entworfen hat.
ZIKA
Die Organisatoren werden recht behalten, das Virus wird kein großes Problem darstellen. Die Aktivität der Zika übertragenden Moskitos ist durch die etwas kühleren Temperaturen stark zurückgegangen, dadurch auch Infektionen und die Gefahr von neurologischen Schädigungen. Für Touristen ist das Risiko überschaubar, dennoch sind Ängste geweckt.
DIE GASTGEBER
Wenn die Welt zu Gast sein wird, werden sie die Lebensfreude, die Leichtigkeit kennenlernen - schon zum Karneval hieß es: Jetzt wird die Krise einfach mal vergessen. Viel wird vom sportlichen Erfolg abhängen, 2012 war Brasilien nur 22. im Medaillenspiegel. Aber Neymar ist dabei und soll Brasilien zum Olympia-Gold im Fußball führen. Das könnte ein Schub sein.
DIE KOSTEN
Rios Bürgermeister Eduardo Paes nennt Barcelona 1992 als Vorbild. Er will mit heiteren Spielen für einen ähnlichen Touristenboom sorgen. Proteste gibt es bisher kaum. Ein Großteil der Kosten von knapp zehn Milliarden Euro fließt in die Infrastruktur, für Schnellbuslinien und eine Metro. Es wird Abstriche bei Stadien geben, das Motto lautet: weniger Gigantismus. Ein Hallenstadion wird später zur Schule umgebaut.
DIE UMWELTPROBLEME
Werden nicht gelöst. Die Guanabara-Bucht wird für Segler ein Risiko, der Grad der Wasserverschmutzung hängt stark vom Wetter und Strömungen ab - aber ohne Olympia wäre hier gar nichts passiert. Klar, in der Stadt stinkt es hier und da wegen fehlender moderner Kläranlagen. Es bleibt viel Nachholbedarf.
DIE PROGNOSE
Unterm Strich wird wie bei der Fußball-WM viel improvisiert, nicht alles wird perfekt sein. Glaubt man dem Dauer-Optimisten Eduardo Paes, Bürgermeister von Rio, wird seine Stadt überraschen. Zwar sind von den 7,4 Millionen Tickets für Olympische und Paralympische Spiele erst knapp zwei Drittel verkauft. Doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) setzt darauf, dass die Spiele dem Land einen großen Schub geben können. Die Menschen seien in der Lage, die Krise zu überwinden, meint IOC-Präsident Thomas Bach. „Das werden Brasiliens Spiele.“