Protestzone bei „Putins Spielen“ - Kritik bleibt tabu
Sotschi (dpa) - Der winzige Park Pobedy liegt direkt an der Eisenbahnstraße mit regem und lautem Zugverkehr in Sotschis Stadtteil Chosta. In diesem Park des Sieges sollen Menschen nach einer Anordnung von Kremlchef Wladimir Putin als Gastgeber der ersten Winterspiele auch protestieren können.
Vorgesehen war dies bei Olympia, wo Russlands „Herr der Ringe“ Kritik am liebsten ausblendet, zwar nicht. Doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) bestand darauf. Putin gab nach. Der einst von ihm geführte Inlandsgeheimdienst FSB kontrolliert den Protestplatz.
„Die Protestzone?“ - „Ja, das ist hier“, versichert ein junger Polizist, der auf dem Gelände patrouilliert. Gefahr lauert nirgends. Unterwegs sind Rentner und junge Familien, die Kinderwagen schieben. Es ist ein warmer und sonniger Tag. Eine Rentnerin, die mit ihren beiden Enkeln unterwegs ist, meint, dass alles gut und schön sei hier - vor allem jetzt, da so viel neu gebaut wurde für Olympia.
„Wer soll denn bei uns demonstrieren? Bei uns hat es noch nie eine Demonstration gegeben. Ich wohne hier seit 1977“, sagt die Frau. „Niemand fasst uns an, und wir fassen niemanden an.“ Sie schwärmt von neuen Glitzerbauten im Olympia-Park, der rund 20 Minuten mit dem Zug entfernt ist. Mit den Kindern hat sie den Park schon besucht.
Vielleicht seien Proteste ja anderswo üblich. „Bei uns geht man ins Rathaus und sagt dort seine Meinung“, meint die Seniorin staatstragend. Sie hofft darauf, dass durch das Neue jetzt gut bezahlte Arbeitsplätze entstünden. Der gepflasterte Park mit Bäumen, Bänken und einem Denkmal für die Opfer der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 ist nicht als „Zone für Demonstrationen“ erkennbar.
Höchstens am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, seien mal Plakate und eine Kundgebung zu sehen, meint ein Ehepaar in den Mittfünfzigern. Der Mann, der selbst auf der Olympia-Baustelle gearbeitet hat und jetzt wieder auf Jobsuche ist, sagt, dass Kundgebungen nicht verboten seien. Sie müssten nur angemeldet werden. „In der Ukraine, da gibt es so etwas. Eine ganze Revolution auf dem Maidan. Aber hier...?“
Auch nach Angaben der Stadt Sotschi wird der Platz im Grunde für Demonstrationen kaum genutzt. Eine Kundgebung habe es für Putin gegeben, eine andere für „Kriegskinder“. Eine Demonstration für die Menschenrechte für diesen Sonntag (16. Februar) sei aber abgelehnt worden, weil der Antrag nicht fehlerfrei gewesen sei, sagt ein Stadtsprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.
Demnach hatten die Bürgerrechtler eine Kundgebung für Toleranz und gegen Diskriminierung für 500 Teilnehmer beantragt. Die Verordnung besagt aber, dass nur maximal 100 Menschen aus Platzgründen in den Park dürften - ein Verstoß also. Die Stadt schlug den Initiatoren vor, eine Konferenz zu organisieren mit Behördenvertretern - unter Ausschluss der Presse. Doch auf Gemauschel ohne Öffentlichkeit wollen sich viele nicht einlassen.
Ziel sei es auch gewesen, für die Lösung von Umweltproblemen und sozialen und wirtschaftlichen Fragen zu demonstrieren, sagt der Politiker Wladimir Kimajew von der Oppositionspartei Jabloko. Eine Kundgebung ohne Erlaubnis abzuhalten, stehe jedoch unter Strafe. „Ich will keine Unannehmlichkeiten für die Teilnehmer“, sagt er mit Blick auf die jüngsten Festnahmen hier in der Region sowie in Moskau.
Kritik an Olympia - dem Prestigeprojekt von Putin - bleibt tabu. Trotzdem muss sich nicht zuletzt das IOC mit dem auch von der Menschenrechtsorganisation HRW verurteilten Druck auf Kremlgegner und Olympia-Kritiker auseinandersetzen.
Für Wirbel an der sonnigen Schwarzmeerküste sorgt der Fall des inhaftierten Umweltaktivisten und Olympia-Kritikers Jewgeni Witischko. Ein Gericht verurteilte den Wissenschaftler zu drei Jahren Straflager, weil er gegen den Gouverneur der Region Krasnodar, zu dem Sotschi gehört, protestiert hatte. Das IOC hat von den Behörden nun eine Erklärung für das ungewöhnlich harte Vorgehen gefordert.