Schatten fällt auf „goldene Spiele“ von Vancouver
Vancouver (dpa) - Im Winter-Traumland Kanada feiert Vancouver eine emotionale Olympia-Party - doch auf die „goldenen Spiele“ fällt ein Schatten. Wenige Stunden vor der Eröffnungsfeier am 12. Februar 2010 verunglückt der georgische Rennrodler Nodar Kumaritaschwili beim Training im Eiskanal tödlich.
Die Sportwelt ist entsetzt, Olympia trauert, der damalige IOC-Chef Jacques Rogge ist tief betroffen. „Wir sind geschockt von dieser Tragödie“, sagt der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees mit tränenerstickter Stimme, „sie wird ganz sicher einen Schatten auf diese Spiele werfen.“
Und so ist die Stimmung bei der abendlichen Eröffnungsfeier der XXI. Olympischen Winterspiele im überdachten BC Place Stadium getrübt: Die Trauer um den furchtbaren Tod von Kumaritaschwili schwingt still mit und nimmt der bunten Show die Unbeschwertheit.
Was war passiert? Der 21-Jährige hatte auf der Hochgeschwindigkeitsbahn in Whistler nach einem Fahrfehler in der „Thunderbird“-Kurve die Kontrolle über seinen Schlitten verloren. Bei Tempo 140 war er aus der Bahn katapultiert worden und mit Hinterkopf und Rücken gegen einen 40 Zentimeter dicken Stahlträger der Bahnüberdachung geprallt.
Der Horrorunfall in Kurve 16 sorgt noch lange für hitzige Diskussionen, zunächst wird die Bahn verkürzt und entschärft. Und dann? Business as usual. Mehr als 2500 Sportler aus 82 Ländern kämpfen an 16 Tagen um Edelmetall. Spaß-Skispringer Simon Ammann holt sich auf der Normalschanze die erste von 86 goldenen Medaillen ab - auf dem großen Bakken legt der Schweizer nach und feiert Doppel-Gold wie 2002 in Salt Lake City. Noch erfolgreicher sind nur zwei Frauen: Die norwegische Skilangläuferin Marit Björgen siegt gleich dreimal, gewinnt noch je einmal Silber und Bronze. Shorttrackerin Wang Meng aus China sahnt drei Goldplaketten ab.
Auch für viele deutsche Asse gibt es Grund zum Feiern. Zehnmal Gold! „Hut ab, Chapeau! Es ist ein fantastisches Ergebnis gegen eine viel stärkere Konkurrenz“, bilanziert Chef de Mission Bernhard Schwank. Vor allem die Frauen trumpfen auf: 19 der 30 deutschen Medaillen gehen auf ihr Konto, zudem gewinnen sie acht der zehn Goldstücke. Mit zehn Gold, 13 Silber- und sieben Bronzemedaillen beendet die 153-köpfige Mannschaft des Deutschen Olympischen Sportbundes die Kanada-Mission und erobert Platz zwei im Medaillenspiegel - hinter Kanada (26 -14/7/5) und vor den USA (37 - 9/15/13). Nur das blamable Eishockey-Team, formschwache Biathlon-Herren und Kombinierer trüben die Bilanz.
Die mit zweimal Gold und einmal Silber dekorierte Biathletin Magdalena Neuner trägt bei der Schlussfeier die deutsche Flagge. „Ich freue mich riesig. Damit habe ich bereits bei meinen ersten Winterspielen alles erreicht, was ich erreichen kann“, sagt die erfolgreichste deutsche Athletin. Dagegen bleiben ihre deutschen Skijäger-Kollegen erstmals seit 42 Jahren ohne Edelmetall. Dreimal Gold durch Maria Riesch (Super-Kombi und Slalom) und Viktoria Rebensburg (Riesenslalom) - eine glatte 1 mit Sternchen für die Alpin-Damen. Anders die Männer: ein achter Platz von Felix Neureuther ist zu wenig.
„Die goldenen Spiele“, titelt die kanadische Zeitung „Globe and Mail“. Auch IOC-Chef Rogge ist sehr zufrieden. „Die ganze Stadt hat die Spiele umarmt, diese Begeisterung habe ich so noch nie erlebt“, erklärt der Belgier und schwärmt bei der Abschlussfeier von „ausgezeichneten und sehr freundlichen Spielen“.
Die Gastgeber haben die groß angekündigte Machtübernahme im Wintersport dank ihres Millionen-Projekts „Own the podium“ geschafft. „Globe und Mail“ macht aus dem größten olympischen Glücksmoment der Gastgeber ein doppelseitiges Poster: Das Foto dokumentiert das 3:2-Siegtor der „Ahornblätter“ im Eishockey-Finale gegen die USA. Historisch ist die Schussfahrt von Freestyler Alexandre Bilodeau auf der Buckelpiste: Ganz Kanada jubelt über das erste Olympia-Gold auf Heimatboden, denn in Montreal (Sommer 1976) und Calgary (Winter 1988) standen die Gastgeber nicht einmal ganz oben auf dem Siegertreppchen.