Schwule und Lesben bei Olympia - Sotschi rüstet sich
Sotschi (dpa) - Auch viele schwule und lesbische Athleten laufen sich warm vor den ersten russischen Olympischen Winterspielen in Sotschi. Zwar hat Kremlchef Wladimir Putin als Gastgeber immer wieder beteuert, dass niemand diskriminiert werde bei dem Ringe-Spektakel.
Er warnte aber auch, dass Homosexuelle Kinder in Ruhe lassen sollten. Und Proteste gegen russische Politik seien nur mit vorheriger Erlaubnis möglich. Die Atmosphäre in Russland ist auch wenige Tage vor dem Olympia-Eröffnungsfeuerwerk am 7. Februar eher homosexuellenfeindlich - als liberal und auf Toleranz gerichtet. Darauf weist die russische Staatsführung selbst immer wieder hin.
Der Bürgermeister von Sotschi, Anatoli Pachomow, verstieg sich jetzt sogar zu der Behauptung, dass es gar keine Homosexuellen hier im Süden Russlands am Fuß des Kaukasusgebirges gebe. Andrej Tanitschew, Mitbesitzer des Schwulenclubs Majak im Stadtzentrum, widersprach dem Gefolgsmann Putins. Sein Club arbeite schon seit den 1970ern - also zu tiefsten Sowjetzeiten - und liege zudem in der Nähe des Bürgermeister-Hauses. Gäste seien willkommen.
„Ich denke, dass Pachomow sehr gut weiß, dass es in Sotschi viele Schwule gibt - angefangen bei der Stadtverwaltung“, sagt Tanitschew dem kremlkritischen Internetfernsehen „Doschd“. Sotschi sei wegen der sonnigen Lage in den Subtropen bei Homosexuellen seit jeher ein beliebter Urlaubsort. Sogar jetzt im Winter sind die Temperaturen mit gut zehn Grad plus vergleichsweise mild. Die Stadt sei mit anderen Gegenden Russlands verglichen eher noch tolerant. „Sogar im Vergleich zu Moskau ist das ein Unterschied zwischen Himmel und Erde.“
Auch wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) stets versichert bekommen hat, dass niemand ausgegrenzt werde, sind Angst und Vorsicht bei einigen groß. Bei Verstößen gegen das Verbot von „Homosexuellen-Propaganda“ drohen Geldstrafen oder Ausweisung. Die Bundesregierung hat deshalb sogar einen warnenden Reisehinweis herausgegeben. Verboten ist es etwa, in Gegenwart von Minderjährigen gleichgeschlechtliche Liebe als normal zu bezeichnen.
Kaum eines von vielen umstrittenen Gesetzen in Russland hat international so viel Protest ausgelöst wie dieses, weil damit etwa auch die Aufklärung über Geschlechtskrankheiten oder Aids erschwert wird. Homosexuelle sind in Russland weitgehend rechtlos - und wer sich einsetzt für ihre Rechte, riskiert mitunter sein Leben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beklagte eine Zunahme von Gewalttaten gegen Homosexuelle, darunter auch Morde.
Die russischen Olympia-Organisatoren und hohen Staatsfunktionäre machen längst keinen Hehl daraus, dass sie die Protestwelle völlig unterschätzt hätten. Künstler und Intellektuelle kritisieren Putins Politik als unmenschlich und gefährlich. Prominente weigern sich offen, das Land zu betreten - andere wiederum kündigen an, ihrem Ärger über die Politik gerade hier Luft zu machen.
US-Präsident Barack Obama schickt eine handverlesene Delegation ans Schwarze Meer, in der auch offen Homosexuelle sind. So kommen etwa Eiskunstlauf-Olympiasieger Brian Boitano, der sich erst unlängst als schwul outete, und die lesbische Tennislegende Billie Jean King zur Eröffnungsfeier nach Sotschi.
Am 5. Februar wollen Aktivisten der internationalen Bewegung All out neben anderen Städten in Sotschi für Toleranz demonstrieren. „Schon Dutzende von Olympioniken und professionellen Athleten haben sich der Kampagne angeschlossen“, teilte die Organisation mit. Die Aktion in Sotschi, bei der es gilt, Rot zu tragen, trägt den Titel „Prinzip 6“ - nicht in Anspielung auf Sex, sondern auf das Prinzip 6 der olympischen Charta, das auch geschlechtliche Diskriminierung verbietet.