Teuerste Spiele aller Zeiten Sotschi ringt mit dem Erbe der Milliardenspiele 2014
Sotschi (dpa) - Ein Wintertag in Sotschi, vier Jahre nach den Olympischen Winterspielen in dem subtropischen Ferienort im Süden Russlands.
Der weitläufige Olympiapark am Schwarzen Meer, Herzstück der Spiele, liegt verlassen. Alexander Scherenow muss mit seiner Elektro-Rikscha lange warten, bis er für 500 Rubel (7 Euro) einen Gast durch die Sportstätten von 2014 kutschieren kann. „Im Sommer kommen mehr Touristen“, sagt er.
An Sotschi scheiden sich bis heute die Geister. Russland und sein Präsident Wladimir Putin gaben die Rekordsumme von etwa 40 Milliarden Euro für das Prestigeprojekt aus, nie war Olympia teurer. Die Gigantomanie, mit der die Region zwischen Schwarzem Meer und Kaukasus zugebaut wurde, hat andere potenzielle Olympia-Ausrichter verschreckt. Auch die Planer der kommenden Winterspiele vom 9. bis 25. Februar in Pyeongchang in Südkorea versuchten, bescheidener zu sein.
Zudem hat der Skandal um russisches Doping das Bild von Sotschi verdunkelt. Dagegen sehen viele Russen die Winterspiele 2014 weiter als gelungenes großes Fest mit einem verdienten Sieg der Gastgeber in der inoffiziellen Nationenwertung.
Scherenows Elektro-Vehikel surrt auf den eiförmigen Großen Eispalast zu, eine Mehrzweckarena für 12 000 Zuschauer. „Hier wird immer noch Eishockey gespielt“, sagt er. Der Klub HK Sotschi, gegründet 2014, trägt hier seine Spiele aus. Manchmal spielt Putin mit prominenten Freunden Eishockey. Außen am Eispalast kündigt ein Banner einen WM-Kampf im Boxen an. Aber der Fremdenführer sagt auch: „Die Halle ist seit damals nur einmal richtig voll gewesen. Da gab es nach dem Hockey ein Konzert von Boney M.“
Ähnlich leer stehen die anderen Eishallen. Drei hätten abgebaut und in andere Städte gebracht werden sollen. Doch das war nach den Olympia-Ausgaben selbst Russland zu teuer. Nun betreibt Tennis-Star Jewgeni Kafelnikow in der Eisschnelllauf-Arena ein Trainingszentrum. In der Curling-Halle gibt es Comedy. Aber der Wintersport hat seit 2014 einen Bogen um Sotschi gemacht.
Einmal im Jahr kreist die Formel-1 durch den Olympiapark, den Rest der Zeit zerschneidet ihre abgesperrte Strecke das Gelände nur. Immerhin wird das für Fußball umgebaute Olympia-Stadion genutzt. In der Fischt-Arena und einem nahen Strandhotel fühlte sich die deutsche Nationalelf schon zum Confederations Cup 2017 wohl. Bei der WM 2018 finden sechs Spiele in Sotschi statt, Deutschland trifft hier am 23. Juni auf Schweden. Aber danach ist die Zukunft des Stadions ungewiss.
Mitten im Park steht wie ein großer Schwanenhals die Säule, die 2014 das olympische Feuer trug. Am Ort der Siegerehrungen zeigt Scherenow Erinnerungsplaketten an die Gewinner von Gold, Silber und Bronze. „Hier, da sind die russischen Namen schon weg“, sagt er. Ob abgekratzt oder nur verblichen: Wegen mutmaßlichen Dopings hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) mehreren Sotschi-Siegern zwischenzeitlich die Medaillen aberkannt. Letzter Stand aber ist, dass das Internationale Sportgericht CAS die Strafen aufgehoben hat.
In das Dopinglabor zwei Straßen weiter ist eine Bar eingezogen. Wo damals verdächtige russische Proben ausgetauscht worden sein sollen, gibt es jetzt Cocktails. Sie heißen selbstironisch „Meldonium“ und „B-Probe“, gemixt aus Sambuca, Tequila und Tabasco.
Trotz der Probleme ist nicht zu übersehen, dass Olympia der Region Sotschi mit ihren 400 000 Einwohnern einen Entwicklungsschub verpasst hat, auch wenn er gewaltsam und teuer war. Die neue Infrastruktur wird genutzt, die besseren Straßen, die Bahnlinie zu den Skigebieten im Bergtal von Krasnaja Poljana. Und es wird weiter gebaut, auch wenn längst nicht alle Ferienwohnungen im olympischen Dorf verkauft sind.
Sotschi ist zu einem Vorort von Moskau geworden, man fliegt mal eben zwei Stunden für ein Wochenende mit Wärme und Sonne in den Süden. Putin hat in den letzten Jahren viel Arbeitszeit in seiner Residenz oberhalb der Stadt verbracht und empfängt dort Staatsgäste.
Der Plan ist aufgegangen, im Kaukasus nahe Sotschi Ski-Tourismus anzusiedeln. Die Hotels mit den Großstadtfassaden, das Casino in dem engen Waldtal des Bergflusses Msymta mögen befremdlich wirken, aber sie stehen nicht leer wie befürchtet. Er komme seit vier Jahren, erzählt ein Skifahrer aus Kaluga südlich von Moskau. „Es ist wie in Österreich. Aber das hier haben ja auch Österreicher gebaut.“
Die nordischen Sportarten sind im Kaukasus nicht heimisch geworden. Der Gaskonzern Gazprom hat das Zentrum für Langlauf und Biathlon in ein Ferienressort für Alpin-Ski verwandelt. Ungenutzt, gespenstisch still stehen die Skischanzen über dem Dorf Estosadok. War es nötig, dafür eine ganze Bergflanke mit Beton zuzuschütten?
An den Schauplätzen der Alpin-Wettbewerbe oberhalb von Rosa Chutor herrscht reger Skibetrieb, auch wenn in Russland Anfang Februar gar keine Ferien sind. „Jetzt überqueren wir die Damenabfahrt“, sagt ein Fahrgast in der Gondelbahn auf halber Strecke zur Aibga-Bergkette. Weit oben in 2045 Meter Höhe liegt der Start der Herren-Abfahrt. Die beiden Abfahrtsstrecken, entschärft, aber immer noch als schwarz und schwierig markiert, sind ein Höhepunkt für russische Skifahrer.