Sotschi-Spiele von Protestaktion überschattet
Sotschi (dpa) - Wladimir Putins Selbstinszenierung wird für das IOC immer mehr zur Belastung. Kurz vor dem Ende werden die ohnehin politisierten Sotschi-Spiele durch die Gewalteskalation in der Ukraine zusätzlich aufgeheizt.
Aus Protest gegen das brutale Vorgehen der Regierung in Kiew gegen die Opposition haben die ukrainische Skirennläuferin Bogdana Mazozka und ihr Trainer Oleg Mazozki ihren Olympia-Start in Sotschi abgesagt. Erst nach einem Krisengespräch mit dem ukrainischen IOC-Spitzenfunktionär Sergej Bubka zogen sie ihre Ankündigung zurück, frühzeitig abzureisen.
„Statt den Konflikt in Verhandlungen zu lösen (...), hat er die letzten Hoffnungen der Nation in Blut ertränkt“, schrieb Mazozki auf seiner Facebook-Seite über den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. „Aus Solidarität mit den Kämpfern auf den Barrikaden (...) verweigern wir eine weitere Teilnahme an den Olympischen Spielen in Sotschi 2014.“ Im Spannungsfeld zwischen Putin und Janukowitsch droht dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) nachhaltiger Schaden.
Bereits vor der Eröffnungsfeier seines olympischen Prestigeprojekts an der Schwarzmeerküste ließ Putin mitteilen, er wolle sich trotz der ersten Winterspiele in Russland weiter um den Konflikt in der Ukraine kümmern. Der Kremlchef steht in Dauerkontakt zu Viktor Janukowitsch, empfing seinen Präsidentenkollegen in Sotschi und soll ihm dabei Lösungswege für die Krise aufgezeigt haben. Auch in Kiews blutiger Nacht zum Mittwoch schalteten sich die beiden per Telefon kurz. „Sollen wir lächeln, wenn es in der Ukraine soviel Blut und Opfer gibt? Das ist einfach unmöglich!“, sagte Mazozki dem ukrainischen TV-Sender 1+1.
Seit der Vergabe der Spiele an Sotschi 2007 in Guatemala wird dem IOC vorgehalten, sich für Putins Propaganda-Show benutzen zu lassen. Die Olympier schafften es nicht, sich von dessen unberechenbarer Politik entscheidend zu distanzieren. Im Gegenteil: Immer wieder wurde der ehemalige Chef des russischen Geheimdienstes gepriesen. Erst am Montag lobte Ski-Legende Jean-Claude Killy, dreimaliger Grenoble-Olympiasieger und als Vorsitzender der IOC- Koordinierungskommission wichtiges Bindeglied zum lokalen Organisationskomitee SOCOG, in einem Beitrag der Zeitung „Wall Street Journal“ sogar Putins Einsatz für Olympia: „Wir hatten immer die Möglichkeit, zum obersten Chef zu gehen. Wenn man sich mit diesem Kerl anfreundet und um etwas bittet, ist es beeindruckend zu sehen, dass Bitten innerhalb von zwei Stunden erledigt werden.“
Nach den blutigen Auseinandersetzungen in Kiew mit Dutzenden Toten und mehr als 1000 Verletzten äußerten einige ukrainische Athleten den Wunsch, aus Anteilnahme mit den Opfern in der Heimat einen Trauerflor zu tragen. Nach Aussage des ukrainischen NOKs habe das IOC dieses Anliegen abgelehnt. Es habe aber eine Schweigeminute im olympischen Dorf gegeben, sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Bogdana Mazozka und ihr Coach wollten Sotschi trotzdem verlassen, weitere Teamkollegen hatten ähnliche Überlegungen.
Janukowitsch müsse „für eine lange Zeit ins Gefängnis“, sagte die 24 Jahre alte Mazozka der Nachrichtenagentur AP. „Ich hoffe, ich werde in der ganzen Welt gehört“. Stabhochsprung-Weltrekordler Bubka, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) der Ukraine, appellierte an die 43 Olympia-Starter seines Landes, in Sotschi zu bleiben. Bubka, einer der fünf Gegner von Thomas Bach im IOC-Präsidentenwahlkampf, sitzt seit 2012 in der IOC-Exekutive und war vier Jahre lang im Parlament von Janukowitsch. Auf der IOC-Homepage wird er noch heute als Berater von Janukowitsch ausgewiesen. „In diesen schweren Zeiten ist Geschlossenheit wichtig“, sagte Bubka. Seine undurchsichtige Rolle könnte zum nächsten Problem für das IOC werden.