Chris Kaman: Verrückt und genial zugleich

Siauliai (dpa) - Chris Kaman ist es gewohnt, die Nummer zwei zu sein. Er spielt in Los Angeles bei den Clippers, die klar im Schatten der ruhmreichen Lakers stehen. Star des Teams ist Dunking-Spezialist Blake Griffin, der mit seiner spektakulären Spielweise alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Und so ist es für Kaman auch kein Problem, im deutschen Team hinter NBA-Champion Dirk Nowitzki die zweite Geige zu spielen. „Dirk ist einer der besten Basketballer der Welt, wenn nicht sogar der beste zur Zeit“, lobt der 29-Jährige den MVP der NBA-Finalserie.

Doch auch Kaman braucht sich trotz der Rekordzahl von 25 NBA-Stars bei der Europameisterschaft in Litauen nicht zu verstecken. Als Teil des „zweiköpfigen Monsters“, wie Bundestrainer Dirk Bauermann seine beiden US-Stars gerne zu bezeichnen pflegt, ist der Center von großer Bedeutung. „Er ist unser Anker in der Verteidigung“, würdigt Bauermann den 2,13-Meter-Riesen, der 2008 kurz vor den Olympischen Spielen in Peking wegen „übergeordnetem nationalen Interesse“ im Schnellverfahren vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble eingebürgert wurde. Kamans Urgroßeltern machten es möglich.

Mit seiner Präsenz unter dem Korb hatte Kaman großen Anteil daran, dass sich die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes vor drei Jahren erstmals seit 16 Jahren wieder für Olympia qualifizierte. Und dennoch spaltet das 120 Kilo Schwergewicht die deutsche Basketballgemeinde. Die einen bejubeln seinen Einsatz im Nationalteam, weil es die Erfolgschancen deutlich erhöht. Die anderen bemängeln seine fehlende Bindung zu Deutschland und die Tatsache, dass er sein Mitwirken stets an Nowitzki knüpft.

„Ich spiele nur, wenn es um etwas geht. Das war in den vergangenen Sommern nicht der Fall. Doch jetzt geht es wieder um Olympia“, begründete Kaman, warum er nach der Zusage Nowitzkis keine Sekunde zögerte, um ebenfalls dabei zu sein.

Im Team ist der US-Boy völlig unumstritten. „Dass er ein Fremdkörper sein soll höre ich zum ersten Mal“, sagt Philipp Schwethelm. „Die Jungs lieben ihn“, bekräftigt auch Bauermann, schließlich ist Kaman abseits des Parketts ein schräger Vogel. „Er ist für jeden Spaß zu haben“, lobt auch Tibor Pleiß, obwohl der Bamberger durch Kamans Mitwirken ins zweite Glied gedrängt wurde.

In der Tat verhält sich Kaman privat nicht unbedingt so, wie man es von einem NBA-Profi erwarten würde. Im Internetportal Youtube kursiert ein Video, dass Kaman dabei zeigt, wie er mit einem Maschinengewehr ein altes Auto zerschrottet. Als Kaman 2008 eine Zeit bei Steffen Hamann einzog, steuerte er mit großer Begeisterung Modellflugzeuge durch die Luft, von denen sich nicht wenige in die Fensterscheiben der Nachbarn verirrten. „Er ist einfach verrückt“, sagt Nowitzki schmunzelnd über seinen NBA-Kollegen.

Doch im Spiel ist der in Michigan auf einer Farm aufgewachsene Blondschopf von unschätzbarem Wert. In allen sechs Vorbereitungsspielen traf Kaman zweistellig, auch bei den ersten beiden EM-Auftritten war auf ihn mit 18 Punkten gegen Israel und 17 Zählern gegen Italien Verlass. Bei der „Metzgerei“ (Nowitzki) gegen die Italiener überragte der Amerikaner zudem mit 17 Rebounds.

„Chris ist fitter als 2008 und hat sich auch besser auf den europäischen Basketball eingestellt“, lobt Bauermann seinen zweiten NBA-Star. „Mit seiner Wuchtigkeit flößt er dem Gegner viel Respekt ein und nimmt auch Druck von Dirk“, meint der Nationalcoach. Von wegen zweite Geiger. „Er ist genauso wichtig wie Nowitzki.“