Biedermann: Lebensglück hängt nicht an Olympia-Medaille

Berlin (dpa) - Auf der Schlussbahn seiner Schwimm-Karriere misst Weltrekordler Paul Biedermann einer Olympia-Medaille keine entscheidende Bedeutung für das Leben nach dem Sport bei.

Foto: dpa

„Mein Lebensglück hängt davon nicht ab, aber ich trainiere nicht jeden Tag, um Achter zu werden“, sagt Biedermann. Der 29-Jährige hat über die 200 Meter Freistil alles gewonnen - bis auf olympisches Edelmetall. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht Biedermann über seine Zukunft, was er vermissen wird und sein Dauer-Projekt Führerschein.

Mit der Entscheidung, nach Olympia in Rio aufzuhören, sind Sie nach wie vor im Reinen?

Paul Biedermann:Ja, wirklich. Manchmal denkt man, wie es wäre, noch ein Jahr weiterzumachen. Dann aber kommt schnell die Einsicht, wirklich mal was anderes zu machen. Was soll ein Abschluss bei Olympia auch noch toppen?

Was werden Sie am Leistungssport vermissen, was nicht?

Biedermann:Vermissen werde ich dieses Gefühl, etwas geschafft zu haben, nach einem guten Wettkampf. Dieses Gefühl, für die harte Arbeit belohnt zu werden. Auch den Adrenalinkick, den Rausch vor dem Wettkampf, dieses Besondere, was es im Berufsleben so nicht gibt. Im Sport bekommst du immer sofort eine Rückmeldung. Nicht vermissen werde ich die Abmeldung vom ADAMS-System (Meldesystem für Doping-Kontrollen, Anm.), das ständige Gefühl, das Richtige zu essen, nicht krank zu werden, nicht spontan sein zu können.

2008 und 2012 wurden Sie jeweils Olympia-Fünfter über 200 Meter Freistil. Welche Lehren zogen Sie aus diesen Rennen unter unterschiedlichen Vorzeichen?

Biedermann:2008 war ja eigentlich nur positiv für mich, das war ein tolles Rennen und man konnte frisch von der Leber weg schwimmen und einfach sein Ding machen. 2012 war da wesentlich mehr Druck dahinter. Weniger „ich will“, mehr „ich muss“ - das hat sich dann bei mir auf die Leistung niedergeschlagen. Das war nicht der Wettkampf, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Nun freue ich mich auf die Möglichkeit, nochmal bei Olympia an den Start gehen zu können.

Nur eine olympische Medaille fehlt noch in der Erfolgsbilanz. Wäre die Karriere damit auch komplett?

Biedermann:Mein Lebensglück hängt davon nicht ab, aber ich trainiere nicht jeden Tag, um Achter zu werden. Das ist natürlich ein Ziel und ein Traum, den man sich noch erfüllen möchte. Aber ich weiß auch nach 18 Jahren Leistungssport, dass mein persönliches Glück nicht davon abhängt. Der Anreiz, warum man das alles macht, bleibt aber die Medaille. Die Farbe wäre dann egal. Natürlich will man mit einem Ergebnis rausgehen, mit dem man mit sich im Reinen ist.

In Rio werden Vorläufe mittags und Finals bis Mitternacht stattfinden. Wie verliefen die Tests mit den geänderten Trainings- und Essgewohnheiten?

Biedermann:Eigentlich positiv. Ich denke schon, dass man das hinbekommt. Aber es ist auch eine individuelle Sache. Anderen Schwimmern ging es damit nicht so gut.

Wie geht es ab Ende August beruflich weiter nach dem Schwimmen?

Biedermann:Ich habe zwei konkrete Jobangebote, was genau, das möchte ich noch nicht verraten. Wenig überraschend hat es mit Sport zu tun. Vielleicht mache ich auch erst Praktikum, wenn mir das gefällt, würde ich eine Ausbildung oder ein Studium dranhängen. Wenn es geht, würde ich sehr gerne in Halle (Saale) bleiben und hier leben. Schwimmtrainer ist noch gar keine Option für mich. Dafür habe ich zu lange im Wasser verbracht.

Wo steht das deutsche Schwimmen im Jahr 2016?

Biedermann:Ich glaube, dass Marco (Koch) klar noch ein paar Jahre das große Aushängeschild sein wird. Wir haben aber auch viele gute Nachwuchsschwimmer, denen man noch ein wenig Zeit einräumen sollte. Wie lange hat es bei mir gedauert, bis ich die ersten großen Medaillen gewonnen habe. Wir haben viele Talente. Ich sehe den deutschen Schwimmsport auf einem guten Weg.

Mit welchen Gedanken verfolgen Sie die sich häufenden Dopingfälle, insbesondere in Russland?

Biedermann:Das sind keine Nachrichten, über die ich mich freue. In Deutschland sind wir mit dem Kontrollsystem sehr weit vorne. Was andere machen, kann und will ich nicht beeinflussen.

Was macht das Dauer-Projekt Führerschein?

Biedermann(lacht):Ich bin nach wie vor hervorragend zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs. Aber das ist auch etwas, was ich mir ganz doll vornehme nach der sportlichen Karriere. Aber denken Sie nur mal an meinen CO2-Abdruck, was ich schon alles an Geld und CO2 gespart habe.

ZUR PERSON: Paul Biedermann (29) wurde 2009 in Rom Doppel-Weltmeister mit Weltrekord und schlug damals Rekord-Olympiasieger Michael Phelps aus den USA. Nach dem Verbot der leistungsfördernden High-Tech-Anzüge blieb Biedermann in der Weltklasse, wurde mehrfach Europameister und WM-Dritter. Nur eine Olympia-Medaille fehlt ihm noch.