Biedermann will für Medaille in „Puschen kommen“
Kasan (dpa) - Paul Biedermann blickte aus dem Becken auf die Anzeigetafel und schüttelte leicht den Kopf. Seine Weltjahresbestzeit verlor der 28-Jährige als Halbfinal-Sechster zwar an den Amerikaner Ryan Lochte, aber beim erwarteten Finalspektakel am Dienstag will der Weltrekordler wieder aufdrehen.
„Man muss schneller schwimmen, um in die Medaillenränge zu kommen, deshalb muss ich jetzt in die Puschen kommen“, betonte der Doppel-Weltmeister von 2009. 1:46,20 Minuten standen für die Galionsfigur der deutschen Schwimmer in den Ergebnislisten, „aber ich würde nicht sagen, dass ich schon 100 Prozent gegangen bin“.
Überraschend zog der im Vorlauf nicht überzeugende fünfmalige Olympiasieger Ryan Lochte (USA) auf der Außenbahn davon, schwang sich in 1:45,36 Minuten zum Jahresbesten über 200 Meter Freistil auf. „Ich hoffe, dass ich im Finale schneller bin“, erklärte Biedermann. Nach dem kurzen, aber unterhaltsamen Interview-Auftritt am Vormittag, als der fokussierte Biedermann im Stile des früheren Wolfsburg-Trainers Klaus Augenthaler Fragen an sich selbst stellte und die Antworten gleich hinterherschickte, war er am Abend durchaus auskunftsfreudig.
Ohne Medaillen strahlte Alexandra Wenk als Siebte am Tag von drei weiteren Weltrekorden über ihren bislang größten WM-Tag. Das hohe Risiko von Hendrik Feldwehr endete mit dem achten Finalplatz.
Wenk, die erste deutsche Schmetterlingsschwimmerin seit Franziska van Almsick vor 21 Jahren in einem WM-Finale über 100 Meter, blieb über ihrem deutschen Rekord von 57,77 Sekunden aus dem Halbfinale. Aber auch 57,94 waren für die 20-Jährige im ersten großen Einzelfinale eine gute Zeit. „Ich habe es einfach genossen, mich mit den Besten der Welt zu messen. Aber ich weiß auch, was ich tun muss, um ganz vorne mit dabei zu sein“, erklärte Wenk ein Jahr vor Olympia. Der Sieg ging in 55,64 und riesengroßem Vorsprung an Titelverteidigerin Sarah Sjöström. Die Schwedin verbesserte ihren Weltrekord aus dem Halbfinale um eine Zehntelsekunde.
Brustschwimmer Feldwehr ging „Alles oder Nichts“ und musste in 1:00,16 Minuten auf der Rückbahn für das schnelle Anfangstempo über 100 Meter teuer bezahlen. „Mit der Endzeit bin ich natürlich nicht zufrieden. Ich denke, dass ich vorne ein bisschen überdreht habe und bin die letzten Meter etwas stehen geblieben“, erklärte der zweimalige WM-Medaillengewinner mit der Lagen-Staffel.
Der Sieg im Feldwehr-Rennen ging an den britischen Topfavoriten Adam Peaty in 58,52 Sekunden. Über 50 Meter Schmetterling gewann Freistil-Olympiasieger Florent Manaudou in 22,97 Sekunden. In Weltrekordzeit von 2:06,12 Minuten über 200 Meter Lagen holte sich die Ungarin Katinka Hosszu Titel Nummer eins in Kasan.
Sjöström und Hosszu schlugen im Finale mit Bestmarken zu, aber auch in den Vorläufen gab es in der umfunktionierten Arena für die Fußball-WM 2018 einen Weltrekord zu bestaunen. Die amerikanische 800-Meter-Olympiasiegerin Katie Ledeckey verbesserte über 1500 Meter Freistil in 15:27,71 Minuten ihren eigenen Rekord um 0,65 Sekunden.
Ein Weltrekord ist im Biedermann-Rennen nicht zu erwarten. In der Heimat bangt dann auch Biedermanns Freundin mit, die vor zwei Jahren zurückgetretene Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen mit der „Schwiegermutter in spe“ vor dem Fernseher. Steffen und die Team-Verantwortlichen sind sich einig: Der Weltrekordler ist enorm fokussiert, aber reicht das für eine Medaille?
Neben Biedermann überstand am zweiten Tag der Becken-Wettbewerbe nur Rückenschwimmer Jan-Philip Glania die Vorläufe. Sieben andere deutsche Schwimmer kamen hingegen nicht weiter, trotz einiger persönlicher Bestzeiten. Für Glania, der im Vorlauf in 53,78 Sekunden vier Zehntel schneller war als bei EM-Bronze vor einem Jahr, kam das Aus im Halbfinale dann nach Platz 13 - und wieder 53,78 Sekunden.