Der lange Kampf um die Ehre des Jack Johnson
Galveston (dpa) - Seine Fans nannten ihn ehrfürchtig den „Riesen von Galveston“, Gegner fürchteten seine Fäuste im Ring: Jack Johnson, der große Boxer aus der kleinen Hafenstadt in Texas, schrieb 1908 Geschichte, als er als erster Schwarzer den Weltmeistertitel gewann.
Vielen galt der 1878 geborene Johnson lange als bester Schwergewichtsboxer der Geschichte. Muhammad Ali bezeichnete ihn einmal als sein größtes Vorbild. Doch was den meisten seiner Konkurrenten im Ring nicht gelang, schaffte die Justiz: Mit einem umstrittenen Urteil zwang sie den Hünen in die Knie.
Jetzt will einer seiner Nachfolger den schwersten Kampf des 1946 bei einem Autounfall tödlich verunglückten Champions zu Ende führen: Ex-Schwergewichtsweltmeister Mike Tyson hat eine an Präsident Barack Obama gerichtete Online-Petition gestartet, um den Boxer zu rehabilitieren.
1913 war Johnson in einem Prozess zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Ihm war vorgeworfen worden, eine weiße Prostituierte über Staatsgrenzen geschleust und damit gegen ein amerikanisches Gesetz verstoßen zu haben. Seine Anhänger sprachen und sprechen von einem rassistisch motivierten Urteil.
„Diese ungerechtfertigte Verfolgung hat Jack Johnsons Erbe letztlich beschädigt“, zitiert die Petitionsplattform „change.org“ Tyson, der selbst als jüngster Schwergewichts-Champion in die Box-Geschichte einging. „Lasst uns mit der Unterzeichnung Präsident Obama und dem Weißen Haus zeigen, dass auch uns Johnsons Andenken am Herzen liegt.“
Zu den prominenten Unterstützern der Petition zählen auch der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain sowie der demokratische Fraktionschef im Senat, Harry Reid. Verwandte und Bürgerrechtler haben außerdem ein Video aufgenommen, in dem sie Obama auffordern, Johnsons Ehre wiederherzustellen. Schon früher hatten sich Juristen und Politiker um die posthume Begnadigung der Box-Legende bemüht - bisher erfolglos.
Zum Zeitpunkt des Prozessbeginns war Johnson ein Star - und eine Provokation für die weiße Oberschicht in den USA: Im Ring demütigte er seine Gegner, privat frönte er einem exzessiven Lebensstil. Er liebte teure Kleidung, schnelle Wagen und wilde Partys. Er wurde geliebt, gefürchtet - und gehasst.
Als sich Johnson gegen Tommy Burns den WM-Titel holte, war dies ein Schlag ins Gesicht aller Rassisten. Fortan trachteten seine Gegner nach Rache und versuchten, die große Schmach zu sühnen. Sportlich gelang es ihnen nicht, Johnson räumte alle beiseite, die ihn stoppen wollten.
Auch James Jeffries, der die Ehre des weißen Amerika wieder herstellen sollte, geriet 1910 zwischen seine Fäuste. Johnson dominierte den „Kampf des Jahrhunderts“, wie der legendäre Fight von Reno noch heute genannt wird, und gewann das Duell in der 15. Runde. Der Sieg löste Rassenunruhen im ganzen Land aus. Dabei kamen zahlreiche Menschen ums Leben.
1912 fand sich schließlich ein juristischer Weg, den Box-Champion vorübergehend aus dem Weg zu räumen. Johnson wurde ein Gesetz zum Verhängnis, das es unter Strafe stellte, mit einer Frau über Bundesstaatsgrenzen hinweg zu reisen, wenn damit ein „unmoralischer“ Zweck verfolgt wurde. Damit sollte ursprünglich Prostitution und Menschenhandel eingedämmt werden. Der Box-Star wurde von einer ausschließlich weißen Jury zu einem Jahr und einem Tag Gefängnis verurteilt.
Johnson floh zunächst ins Ausland, schlug sich in Kanada und Frankreich durch. Um Geld zu verdienen, stieg der alternde Weltmeister immer wieder in den Ring und verlor den Titel schließlich 1915 gegen Jess Willard in Havanna. 1920 kehrte er in seine Heimat zurück und saß seine Haftstrafe doch noch ab. Bis zu seinem Tod verdingte er sich als Nachtclubbesitzer, Trainer und Boxexperte und stieg nur noch für Schaukämpfe in den Ring. 1990 wurde er in die Hall of Fame des Boxens aufgenommen.
Für seine Anhänger und Nachfahren schwebt das umstrittene Urteil bis heute wie ein Schatten über Johnsons Leben. Vom ersten dunkelhäutigen Präsidenten der USA erhoffen sie sich nun die langersehnte Rehabilitation. „Der Vater von Präsident Obama hätte wegen der gleichen Sache verurteilt werden können“, sagte ein Unterstützer der Kampagne aus Johnsons Heimatstadt. „Denn er war mit einer weißen Frau verheiratet und ist mit ihr durch die Welt und von Staat zu Staat gereist.“