El-Halabis Comeback ist auch ein Kampf gegen den Vater
Ulm (dpa) - Rola El-Halabis Geschichte geht zu Herzen. Zwei Monate saß sie im Rollstuhl, neunmal lag sie auf dem Operationstisch. Ihre Ärzte waren anfangs nicht sicher, ob sie je wieder würde normal laufen könne.
Zwölf Narben verteilen sich auf dem Körper der 27-Jährigen. Der Mann, der sie erst aufbaute und den Weg bereitete für ihre Profikarriere als Boxerin, schoss sie kurz vor einem WM-Kampf am 1. April 2011 in der Kabine nieder: ihr Stiefvater.
21 Monate nach ihrem wohl schlimmsten K.o. will die Deutsch-Libanesin aus Ulm wieder in den Boxring steigen. „Aufgeben war für mich nie eine Lösung“, sagt El-Halabi, die sechs Tage die Woche trainiert für den WM-Kampf gegen die Deutsch-Italienerin Lucia Morelli am 12. Januar.
Ein Grund für das Comeback war auch ihr Vater. „Du hast mich so stark gemacht, ich kann mich vor dir nicht geschlagen geben“, sagt El-Halabi. Wenn irgendwo sein Name fällt, versucht sie, sich nicht mehr über ihn aufzuregen. „Das ist er nicht wert“, sagt sie.
Für die Schüsse wurde er im November 2011 zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. „Der Angeklagte wollte seine Tochter zum Krüppel schießen“, hatte Richter Thomas Groß damals in der Urteilsverkündung gesagt. Dem früheren Manager der Boxerin habe es nicht gepasst, dass die Tochter anfing, ihr eigenes Leben zu leben.
„Auf der einen Seite hat mein Vater viel Wert daraufgelegt, dass ich stark bin - ich wurde so erzogen, ich darf mir nix wegnehmen lassen“, erzählt El-Halabi. „Und dann war gerade er derjenige, der versucht hat, mir das wegzunehmen.“ Die zweifache Weltmeisterin im Leichtgewicht sieht in dem bevorstehenden WIBA-Kampf nicht nur ihr sportliches Comeback, es sei für sie auch eine Art Selbsttherapie.
Momentan bedeute der Fight alles für sie. „Alles hängt vom 12. Januar ab, meine Zukunft und mein Wohlbefinden, wie ich dieses Trauma verarbeiten kann“, sagt El-Halabi. „Du hast es in der Hand, ob es gut endet oder nicht. Du musst dran glauben.“
El-Halabi denkt rund um die Uhr an das Comeback, denn sie ist auch Veranstalterin des Boxkampfes in der Ratiopharm Arena im benachbarten Neu-Ulm. „Manchmal stehe ich mitten in der Nacht auf, habe einen Block neben meinem Bett, und notiere mir etwas, das mir im Schlaf eingefallen ist.“ Nächstes Jahr erscheint zudem ihre Biografie.
El-Halabi hat seit der Attacke viel Zuspruch von ihren Fans und auch Fremden bekommen. „Die Leute, die kennen mich nicht, die haben nur die Rola aus dem Fernsehen gesehen oder das Mädchen, das angeschossen wurde und haben mich einfach ins Herz geschlossen, ohne Bedingungen“, sagt die Sportlerin voller Dankbarkeit.
Der Schicksalsschlag kostete sie aber auch einige vermeintliche Freunde: „Du läufst auf der Straße und deine Freunde drehen sich um und versuchen wegzulaufen, damit sie sich bloß nicht mit dir konfrontieren müssen, und Wildfremde kommen zu dir, fangen an zu weinen und sagen, ich bin so stolz auf dich.“
Privat ist die toughe Boxerin eher eine ruhige, harmoniebedürftige Person. „Viele fragen mich, warum ich mich für einen so knallharten Sport entschieden habe, das hat mit meiner Kindheit zu tun“, sagt El-Halabi. Sie hatte ein sehr strenges Elternhaus, das ihr wenig Freiraum ließ. Boxen war ihr Rückzugsort: „Das war mein einziger Freiraum, mein eigener Kosmos. Ich konnte frei entscheiden im Ring, was ich mache, wie ich es mache“, erzählt die Ulmerin.
Ihr Motto für den Kampf im Januar und auch sonst im Leben laute „Molon Labe“ aus dem Altgriechischen. „Du darfst dir nichts nehmen lassen. Wenn einer was will, soll er kommen und es sich holen“, erklärt El-Halabi die Bedeutung. Die Wörter habe sie sich auch über die Rippen tätowieren lassen.
Ihre Kampfgegnerin Lucia Morelli fordert sie auf: „Madame Morelli hat gesagt, mein Comeback würde scheitern. Wenn Sie davon überzeugt ist, soll sie in den Ring kommen und sich den Titel holen.“