Nach Hernandez-Sieg zerbrechen Box-Freundschaften
Erfurt (dpa) - Henry Maske sprach von einem Fehlurteil, Fritz Sdunek nannte es Beschiss und Ulli Wegner einen gerechten Sieg. Selten hat ein Boxkampf Zuschauer, Trainer, Experten und selbst das Kampfgericht derart entzweit.
Der 2:1-Sieg von IBF-Weltmeister Yoan Pablo Hernandez in Erfurt über Firat Arslan in einem unglaublich intensiven und mitreißenden Cruisergewichtskampf sorgte für Aufruhr, Beschimpfungen und aufgekündigte Freundschaften. „Dass Henry von einem Fehlurteil spricht, ist eine Schweinerei von ihm“, fluchte Hernandez-Trainer Ulli Wegner und zog Konsequenzen. „Wer das so sieht, der kann nicht mehr mein Freund sein.“
TV-Experte Maske hatte sich auf den 43-jährigen Arslan als Sieger festgelegt und erhielt Unterstützung von Arslan-Trainer Sdunek. „Solche Kampfrichter machen langfristig das Boxen kaputt“, giftete der Coach, der einst die Klitschkos zu Weltmeistern geformt hatte. Für ihn war sein Schützling „der Weltmeister der Herzen“, der für „seine vielen Treffer nicht für seine Arbeit belohnt“ worden sei.
Das Entsetzen über den Ex-Weltmeister und einstigen Sauerland-Kämpfer Maske, der im Boxen ungefähr das verkörpert, was Franz Beckenbauer im Fußball darstellt, war gewaltig. Wegner unterstellte ihm, seine Aussage habe andere Gründe. Konkreter wollte er nicht werden. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Verhandlungen über eine Fortsetzung oder das Ende der Zusammenarbeit von ARD und Sauerland ist Maskes Vorstoß hochexplosiver Sprengstoff. „Das ist unmöglich, was hier alles läuft“, blaffte Wegner. Und Manager Wilfried Sauerland befand: „Henry hat große Scheiße geredet.“
Zwei Kampfrichter hatten mit 115:113 und 116:113 für den variableren und häufiger schlagenden IBF-Champion Hernandez gewertet, einer mit 115:113 für den zehn Runden unablässig nach vorn marschierenden Arslan. Hernandez hatte mit Höllentempo begonnen und die deutlich höhere Schlagfrequenz, die er auf dem Top-Niveau nicht durchhalten konnte. Arslan rückte dem 29 Jahre alten Exil-Kubaner permanent auf die Pelle, um mittels Nahkampf seine Unterlegenheit in der Distanz auszugleichen. Schon allein, weil er seltener schlug als Hernandez, setzte er weniger Treffer. Aus dieser Perspektive hätte das Urteil gar eindeutiger für den Kubaner ausfallen können. Arslan schluckte selbst schwerste Schläge scheinbar unbeeindruckt und rollte wie ein auf Dauerbetrieb gestellter Bulldozer nonstop nach vorn. Diese Aktivität beeindruckte. Effektiver war sie aber nicht.
„Für mich hat Firat den Kampf ganz klar gewonnen. Wenn ihr das anders seht, solltet ihr mit dem Boxen aufhören“, riet Dieter Wittmann, Arslans Heimtrainer, der versammelten Führungsriege des Sauerland-Boxstalls. Pikant: Auch Arslan steht bei den „Sauerländern“ unter Vertrag. Manager Wilfried Sauerland bot dem Team aus dem schwäbischen Donzdorf einen Rückkampf an. Doch Sohn und Promoter Kalle Sauerland steht der Sinn nicht danach. „Dafür müssten sie sich erst mal benehmen und uns nicht beschimpfen“, konterte er. Die Auseinandersetzung bekam Arslan nicht mehr mit. Er hatte eine Ohrenverletzung erlitten und musste behandelt werden.
Was Kraftpaket Arslan nach drei Niederlagen in den jüngsten fünf Kämpfen plant, ist ungewiss. Allein aus gesundheitlichen Gründen sollte sich der Power-Man mit türkischen Wurzeln eine Fortsetzung der Ringkarriere überlegen. „Ich hoffe, dass Firat bald aufhört“, urteilte die einstige Box-Queen Regina Halmich. Für sie war das Urteil korrekt. In dem hitzigen Disput reichte Wegner seinem Trainerpendant Sdunek, mit dem er zu DDR-Zeiten in Trainingslagern ein Zimmer teilte, die Hand: „Ich möchte, dass Fritz mein Freund bleibt.“ Der Angesprochene haderte noch. Sdunek: „Herr Wegner, wir brauchen nicht mehr auf einem Zimmer zu sein. Die Zeit ist vorbei.“