Neu-Chef Bittner lässt Boxer nach seiner Pfeife tanzen
Hamburg (dpa) - Das deutsche Amateurboxen hat jetzt quasi zwei Präsidenten. Der Deutsche Box-Sportverband (DBV) unter Präsident Jürgen Kyas bestimmt nach wie vor die Geschicke der olympischen Boxer.
In der halbprofessionellen Weltliga WSB hingegen, wo praktisch dieselben DBV-Boxer in Nationalstaffeln Fünf-Runden-Kämpfe bestreiten, hat Ulrich Bittner das Zepter übernommen. „Ich bin der Präsident der deutschen WSB. Es wird nach meiner Pfeife getanzt“, sagt Bittner. „Der DBV lässt sich von Herrn Bittner nicht bevormunden. Der Verband ist unabhängig, behält sich alle Rechte vor“, erwidert Kyas.
Bittner, Präsident des Bundesligisten Boxring Hanau, ist ein millionenschwerer Unternehmer und hat damit das, was der DBV nicht hat: Geld. Der umtriebige Geschäftsmann erwarb für 300 000 Euro vom Weltverband AIBA das Recht, als Franchisenehmer WSB-Kämpfe in Deutschland zu veranstalten und zu vermarkten. „Ich habe die WSB für sieben Jahre gekauft“, sagt Bittner stolz. Zunächst darf der 55-Jährige bis 2016 ran, dann hat er eine Option bis 2020.
In den vergangenen Jahren hatte die AIBA Deutschlands Teilnahme an der Weltliga bezahlt, will das aber nicht mehr. Die Kosten pro Saison werden auf 1,6 Millionen Euro taxiert. Reisekosten zu anderen Kontinenten, Gebühren, Prämien für die Sportler und Einkaufskosten für ausländische Gaststarter fallen an. Das muss jetzt Bittner stemmen. Und der sagt: Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt die Musik.
Bittner, der sich erst vor wenigen Wochen als Gegenkandidat zu Alfons Hörmann um den Posten als DOSB-Präsident bewarb, sich dann aber verschnupft zurückgezogen hat, will nicht nur zahlen, er will Geld verdienen mit der WSB. „Entscheidend ist: Wie geht es gegen Algerien los?“, betont der Diplom-Ingenieur für Bauwesen, der auch eine Medienagentur unterhält. Am Samstag hat die deutsche Staffel Heimpremiere in Bittners Box-Mekka August-Schärttner-Halle in Hanau. „Da kommen 5000 Leute“, verspricht er. Schlagerbarde Bernhard Brink soll Zugnummer sein. Das regionale Rhein-Main-TV überträgt live. „Das ist erst der Anfang. Mit den großen Sendern verhandeln wir.“ Sponsoren, beteuert Bittner, stünden bereit.
Kyas erregt, dass Bittner dem Boxverband keine Einsicht in den Vertrag mit der AIBA gewährt. „Seine merkwürdige Informationspolitik sorgt für Verwirrung. Was Bittner veranstaltet, ist nicht kalkulierbar“, klagt Kyas. Der DBV stellt dennoch die Mannschaft mit den Olympia-Boxern, die für Bittners WSB-Kämpfe antreten. „Das ist für unsere Athleten eine Riesenchance, sich mit den Besten zu messen. Da können sie lernen und sich für Olympia optimal vorbereiten“, versichert DBV-Geschäftsführer Michael Müller. „Deshalb unterstützen wir das Unternehmen.“
Bittner wollte die ehemaligen Profis René Weller und Graciano Rocchigiani als Trainer einsetzen. „Stopp“, sagt der DBV, „so nicht.“ Der Verband ist schon mit Cheftrainer Michael Bastian, Disziplintrainer Valentin Silaghi sowie den Trainern Michael Timm und Zoltan Lunka vertreten. „Die AIBA fordert Trainer mit Drei-Sterne-Lizenz. Die hat Rocchigiani nicht“, sagt Müller.
Bittner gibt nicht klein bei. Er installierte Weller als Sportdirektor und „Rocky“ als Sportkoordinator, holte zudem den ehemaligen Bundestrainer Mirko Wolf. Der Apparat ist damit aufgeblasen wie nie. „Wir werden analysieren, ob die richtige Mannschaft am Werke ist. Ich kann generell anpassen“, sagt Bittner.