Spitzenboxerin darf in Norwegen nicht in den Ring
Oslo (dpa) - Wenn Cecilia Brækhus durch die Innenstadt von Oslo spaziert, kleben die Blicke der Fußgänger an ihr. Nicht nur, weil die 32-Jährige mit ihrem dunklen Teint unter den blassen Norwegern auffällt, Brækhus ist in Norwegen eine Sportheldin und so bekannt wie Ole Einar Bjørndalen.
Drei Gürtel hat die junge Frau aus Bergen schon geholt. Sie ist Weltmeisterin der Verbände WBC, WBA und WBO im Weltergewicht - doch keinen einzigen Titel hat sie in ihrem Heimatland gewonnen. In Norwegen ist das professionelle Boxen seit 1982 verboten. Vor sechs Jahren ist Brækhus deshalb nach Berlin gezogen, wo sie als einzige Frau im Boxstall des Teams Sauerland kämpft. Im Ring nennt sie sich „First Lady“ und so benimmt sie sich auch. „Sie prügelt nicht drauflos wie häufig im Frauenboxen, sie ist technisch sehr stark. Und sie ist eine attraktive Frau“, sagt ihr Trainer Otto Ramin.
Cecilia Brækhus, die in Kolumbien geboren und als Dreijährige von Norwegern adoptiert wurde, liebt Berlin. Trotzdem träumt sie davon, in Norwegen boxen zu dürfen. Mit dem Regierungswechsel im September hat ihre Hoffnung neue Nahrung bekommen. „Cecilia Brækhus soll die Möglichkeit bekommen, ihren Sport in ihrem Heimatland ausüben zu können“, hatte die Chefin der Fortschrittspartei (FrP), Siv Jensen, gleich nach der Wahl angekündigt. Doch der politische Wille allein reicht nicht.
Die Norweger haben gleich zwei Gesetze, die es Brækhus unmöglich machen, in ihrer Heimat in den Ring zu steigen. Eines untersagt das Veranstalten von professionellen Boxkämpfen, das andere (Knockout-Gesetz) verbietet generell Sportarten, die zu einem Knockout führen können, also auch professionelle Wettkämpfe im Taekwondo und Kickboxing.
„Die Gesetze dienen zum Schutz der Athleten“, erklärt Per Tøien vom norwegischen Sportverband. Man wolle nicht, dass ein Sportler Gehirnschäden oder den Tod riskiert, wenn er in den Ring steigt. Außerdem wurde es in den 80er Jahren als unangemessen betrachtet, dass Promoter damit Geld verdienen, dass ein Boxer sein Leben aufs Spiel setzt.
Amateurboxen hingegen ist erlaubt, denn es ist mit zahlreichen Auflagen verbunden: Die Sportlerinnen tragen Helme, ihre Handschuhe sind stärker gepolstert und ein Kampf ist auf drei Runden begrenzt. „Wenn sich professionelle Sportler diesen Regeln unterwerfen würden, wäre professionelles Boxen auch in Norwegen möglich“, sagt Per Tøien.
Doch für wahre Profis ist das keine Option. Boxen ist ein Showsport: Die Zeitlupenaufnahmen von Gesichtspartien, die sich beim Schlag mit dem Boxhandschuh verformen, der Kampf Runde um Runde bis zur Erschöpfung, das Runterzählen des Schiedsrichters, wenn der Unterlegene am Boden liegt - das ist es, was das Publikum will.
„Professioneller Sport heute ist sehr, sehr hart“, sagt Cecilia Brækhus, „und da macht es keinen Unterschied, ob du läufst, Abfahrtski fährst oder Handball spielst. Aber ich denke, das ist auch die Motivation, besser zu sein als die anderen.“ Sie findet es nicht komisch, dass sie sich als Frau solchen Schlägen aussetzt. „Ich sehe mich nicht als eine Frau, die boxt“, sagt sie. „Mein Fokus ist - wie bei den Männern: Ich will diesen Kampf gewinnen. Dieses Gefühl überschattet alles andere.“
Aufgewachsen ist die „First Lady“ in einem ruhigen und sicheren Vorort von Bergen an der Westküste Norwegens. Aus Langeweile, so sagt sie, habe sie als 13-Jährige mit dem Kickboxen angefangen. „Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich gerne boxen möchte, und meine Mutter meinte nur: 'Vergiss es.'“ Doch Cecilia ließ sich schon als Teenager nicht so schnell von ihrem Ziel abbringen. Ein Jahr lang kletterte sie heimlich aus dem Fenster und schlich sich zum Training, dann wurde sie erwischt. „Meine Eltern waren sehr wütend auf mich, aber dann haben sie verstanden, dass es das ist, was ich wirklich machen will.“ Sie sprachen mit dem Trainer und sahen ihre Tochter boxen. „Und dann haben sie gemerkt, dass Kickboxen etwas Gutes ist, besonders für Mädchen.“ Aus Kickboxen wurde Amateurboxen, bis Brækhus schließlich 2007 ihr Debüt als Profiboxerin gab.
Dass sie 20 Jahre später immer noch etwas „Verbotenes“ tut, will sie nicht einsehen. Das Gesetz zum Verbot von Profiboxen sei völlig veraltet, meint sie, zumal ihre Kämpfe im norwegischen Fernsehen übertragen werden. „Mein Erfolg macht es nun sichtbar, wie dumm dieses Gesetz ist. Die Leute stellen es infrage.“
Auch der norwegische Sportverband unterstützt das Vorhaben der Regierung, den Anti-Box-Paragrafen abzuschaffen. Am Knockout-Gesetz will er allerdings nicht rütteln. Vielmehr appelliert der Verband an andere Länder, die Spielregeln im Kampfsport zu verschärfen. „Wir wollen das Boxen sicherer machen“, argumentiert Kommunikationschef Per Tøien. Beim Sport geht es ja schließlich darum, die Gesundheit zu erhalten, nicht sie zu gefährden - so die Philosophie des Sportverbandes.
Cecilia Brækhus will die Hoffnung nicht aufgeben. Zweimal schon war sie ins Parlament eingeladen, um ihre Situation zu schildern, zuletzt im Februar. Die Mehrzahl der Abgeordneten stünde einer Gesetzesänderung inzwischen aufgeschlossen gegenüber, so ihr Eindruck. Doch ohne die Zustimmung des Sportverbandes wollen die Politiker das Knockout-Gesetz nicht abschaffen. Wenche Stadven Nybo vom norwegischen Kulturministerium bestätigt: „Unser Hauptanliegen ist es, eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden.“ Ein Datum für eine Einigung habe man sich nicht gesetzt.
Cecilia Brækhus hofft, dass die Politik wenigstens den Weg für eine Ausnahmegenehmigung frei macht. Ausnahmen bestätigen schließlich die Regel.