Fast 90 Jahre nach Schmeling Stieglitz holt EM-Titel im Halbschwergewicht
Magdeburg (dpa) - Robert Sieglitz ist zurück und vielleicht schon bald wieder weg. Gut eineinhalb Jahre nach dem Verlust des WM-Gürtels hat sich der 35 Jahre alte Profiboxer aus Magdeburg in seiner Heimatstadt den EM-Titel im Halbschwergewicht erkämpft und danach leise Abschiedstöne angestimmt.
„Für mich ist der Titel eine Bestätigung, dass ich immer noch stark bin. Nicht jeder hat es geschafft, in meinem Alter noch einmal Europameister zu sein“, sagte Stieglitz nach seinem einstimmigen Punktsieg (116:112, 116:112, 116:112) über den Titelverteidiger Mehdi Amar aus Frankreich.
Der gebürtige Deutsch-Russe lieferte den 5000 begeisterten Zuschauern am Samstag das ab, was sie von ihm erwartet hatten und von ihm kennen: weniger filigrane boxerische Feinheiten als vielmehr harte Kleinarbeit Mann an Mann, Fuß an Fuß. „In den ersten Runden war er ganz schön dreckig. So etwas gehört sich nicht“, kritisierte der Lokalmatador seinen wiederholt unsauber boxenden Rivalen.
Aber schon da hatte Stieglitz, der nach seinem Aufstieg vom Supermittelgewicht (bis 76,203 Kilo) ins Halbschwergewicht (bis 79,378 Kilo) spritziger wirkt, die eine oder andere Hand mehr drin. „Ich hätte noch mehr machen können, habe mich aber zurückgehalten. Amar war ganz schön schlau und hat auf meine Fehler gewartet“, berichtete der erfolgreiche Herausforderer. Max Schmeling hatte 1927 in diesem Limit seinen ersten großen Titel geholt.
Vor allem der Jab von Stieglitz passte. „Roberts Führungshand war heute richtig gut. Mit ihr hat er zum Teil auch doppelt getroffen. Das hat den Kampf entschieden“, urteilte Trainer Dirk Dzemski nach dem engen Duell zufrieden und erleichtert. Der Coach schickte seinen Schützling nach dessen 50. Sieg im 56. Profikampf in den nach 100 Sparringsrunden seit August wohl verdienten Urlaub.
Wie es für das Aushängeschild des Magdeburger SES-Stalls danach weitergeht, ist offen. Gedankenspiele um einen sofortigen Abschied hat Stieglitz zwar noch im Ring verworfen. „Ich werde definitiv noch einen Kampf machen, weil ich mich heute über 12 Runden fit gefühlt habe. Es geht auf jeden Fall weiter“, versprach der Routinier, der bereits seit fast 16 Jahren Profi ist. Nach einem neuerlichen Anlauf auf einen WM-Gürtel, den er in seiner Karriere zweimal besessen hat, klang dies aber nicht.