Trainer Wegner will von Abraham Liebesbeweis

Hannover (dpa) - Für seinen 100. WM-Kampf nimmt Trainer Ulli Wegner jede Qual auf sich. Nach seinem Achillessehnenriss im rechten Fuß wird der 73 Jahre alte Coach mit Stützverband an den Boxring humpeln und will zur Begrüßung auch noch in das Seilgeviert klettern.

Foto: dpa

„Ich hab' das schon geprobt. Das funktioniert“, versichert Wegner mit knarziger Stimme. Grund ist der WM-Kampf seines Vorzeigeathleten Arthur Abraham.

In der Hannoveraner TUI-Arena, wo wie überall bei Großveranstaltungen in diesen Tagen verschärfte Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, will der Berliner Profiboxer am Samstag seinen WBO-Titel im Supermittelgewicht gegen den Briten Martin Murray verteidigen. „Wenn ihm wirklich etwas an mir liegt, macht er mich am Samstag stolz“, raunzt Wegner und lässt Abraham kaum Gegenargumente.

So lange Wegner sich daheim von seiner Frau pflegen ließ, stimmte sein Assistenztrainer Georg Bramowski Abraham auf die WM ein. „Das war eine echt brutale Vorbereitung mit Herrn Bramowski. Ich musste doppelt so hart trainieren wie sonst“, stöhnt Abraham. Wegner, der seit gut zwei Wochen das Kommando wieder übernommen hat, hört das gern und lobt seinen Co-Trainer: „'Brame' ist an meiner Seite gewachsen.“

Promoter Kalle Sauerland sieht die Sonderbehandlung als äußerst nützlich an. „Arthur muss gegen Murray alles zeigen. Denn der Junge hat Dampf.“ Die britischen Journalisten haben Sauerland ausgelacht. „Die schreiben, ich sei verrückt, weil ich für eine freiwillige Titelverteidigung Murray als Gegner verpflichtet habe“, berichtet der Promoter. Für die Briten ist der Kampf reine Formalität. Der Sieg ihres Landsmannes aus St. Helens im Nordwesten Englands ist fest eingeplant.

„Das habe ich Arthur erzählt. Ich habe den Eindruck, das stachelt ihn richtig an“, erzählt Sauerland. Überhaupt habe sich Abraham verändert. Die Phase der Nachlässigkeit, als Boxen nur noch Überdruss war und Training die eigene Geschäftstätigkeit gestört hat, ist offensichtlich vorbei. „Arthur brennt wieder. Und das liegt nicht am Geld. Das hat sportliche Ursachen. Er sieht Boxen wieder emotional“, meint Sauerland. Der Kampf gegen Murray, die Nummer sieben in der Welt, sei für seinen Schützling „die härteste Aufgabe seit Jahren“.

Erst vor kurzem hat das geachtete US-Magazin „The Ring“, die sogenannte „Bibel des Boxens“, Abraham im Supermittelgewicht auf Position eins gesetzt - noch vor den anderen Weltmeistern James Degale (IBF/Großbritannien) und Badou Jack (WBC/Schweden). Das schmeichelt Abraham. Zugleich nimmt der 35-Jährige die Aufwertung als Verpflichtung an. Starke Rivalen sind für den gebürtigen Armenier Motivationshilfe. In WM-Kämpfen zuvor trotzte Murray Felix Sturm ein Remis ab und verlor nur knapp gegen den starken Argentinier Sergio Martinez. „Murray ist Motivation genug“, bekennt Abraham. „Doch in meiner aktuellen Verfassung kann er mir nicht das Wasser reichen.“

Der konditionsstarke Murray, der 32 seiner 35 Profikämpfe gewonnen hat, teilt ebenfalls aus. Abraham sei zwar ein „großer Krieger“, habe sich aber seit Jahren „nicht weiterentwickelt“. Der 33 Jahre alte Rugby-Liebhaber, der Fußball als „etwas für Weicheier“ geißelt, hat die Nase voll, nur Zweiter zu sein. „Dreimal habe ich den Titel verpasst. Jetzt ist Schluss.“