Weltmeister Abraham braucht „Diktator“ Wegner

Kiel (dpa) - Arthur Abraham freut sich diebisch, wenn er seinem Trainer Ulli Wegner eins auswischen kann. Am besten geht das, wenn Bayern München nicht gewonnen hat, Abrahams Lieblingsclub Borussia Dortmund aber schon.

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„Dann schimpft Herr Wegner so richtig auf seine lieben Bayern. Das ist für mich wie ein Urlaubstag. Da kann ich herrlich lachen“, erzählt der Boxweltmeister im Supermittelgewicht. Bei dessen Schimpfkanonaden heizt er seinen Coach noch an, damit der fuchsteufelswild wird. Für Abraham könnte Bayern München deshalb häufiger verlieren. „Aber das passiert ja nur ganz selten“, meint der Berliner enttäuscht. So bleiben seine Urlaubstage im Training wohl überschaubar.

Am Samstag verteidigt Abraham seinen WBO-Titel im Supermittelgewicht gegen den Briten Paul Smith in Kiel. Dafür hat der eigenwillige Wegner seinem Schützling in den vergangenen Wochen eine „Spezialbehandlung“ verpasst. Im Trainingslager in Zinnowitz an der Ostsee klagte Abraham über Einsamkeit wie nie zuvor. Wegner ließ den Champion wegsperren und dessen ausgiebige Handy-Nutzungszeiten stark limitieren, um die Konzentration auf Kampf und Gegner zu steigern. „In der Anfangsphase einer jeden Vorbereitung schludert er häufig und hängt sich nicht voll rein“, klagt Wegner. „Meine Aussage, Arthur ist ein Mann mit 15 Jobs, steht immer noch.“

Über die Vermutung, Wegner sei mit seinen 72 Jahren wohl gelassener geworden, kann Abraham nur lachen. „Er wird nur ruhiger, wenn er schläft“, sagt der 34 Jahre alte Profi. „Ansonsten ist er ein geborener Diktator.“ Das sagt Abraham ohne Groll. Irgendwie ist er glücklich, dass jemand da ist, der ihn in den Hintern tritt, wenn er wieder mal nur Freunde und Geschäfte im Kopf hat. „Es ist genau richtig, wie er ist. Herr Wegner weiß, was gut für mich ist“, bekennt der gebürtige Armenier und ergänzt: „Alle lieben ihn“. In den Kämpfen könnte es nach seinem Geschmack aber ruhiger zugehen. „Manchmal macht er in der Ecke zu viel“, meint Abraham.

Eigentlich möchte Wegner am Samstag gar nicht viel reden. „Wenn er meine Worte beherzigt, kann er in seiner Gewichtsklasse jeden schlagen“, sagt der Trainer. „Er muss nur auf mich hören.“ Ganz beiläufig erwähnt er: „Wenn das nicht mehr gegeben ist, höre ich auf!“ Wegner ist für seine Psycho-Kniffe bekannt. Aufhören wollen beide eigentlich noch nicht. Denn der Champion will zuvor noch eine Scharte auswetzen. „Ich möchte noch mal gegen Carl Froch boxen“, betont Abraham. Der englische IBF- und WBA-Superweltmeister hatte vor vier Jahren gegen den Deutschen gewonnen und ihn dabei alt aussehen lassen. „Froch ist in meinem Kopf“, versichert Abraham.

Abraham legte einen Tag vor seiner Titelverteidigung in Kiel beim Wiegen eine Punktlandung hin. Der 34 Jahre alte Titelverteidiger brachte 76,2 Kilogramm auf die Waage. Die Höchstgrenze im Supermittelgewicht liegt bei 76,203 Kilo.

Samstag-Gegner Smith (75,9 Kilogramm) ist mit seinen 35 Siegen in 38 Profikämpfen und den 20 K.o.-Erfolgen ein härterer Rivale als der Montenegriner Nikola Sjekloca, den Abraham vor knapp fünf Monaten nach Punkten bezwang. „Da musste ich mit links gewinnen, weil meine Schlaghand schwer gestaucht war. Jetzt ist die Hand wieder fit“, betont der Champion, dessen Urgewalt in der Rechten schon viele Kämpfe entschieden hat.

Das schreckt Smith aber nicht. „Auf mich wirkt er ein wenig müde im Ring“, beschreibt der Brite den Weltmeister. „Ich hingegen bin noch hungrig.“ Der 31 Jahre alte Liverpooler, der auf das Erscheinen von Fußballnationalspieler und Boxfreund Wayne Rooney hofft, will den Titel auch für seine jüngeren Brüder gewinnen. Stephen, Liam und Callum boxen ebenfalls. „Ich war meinen Brüdern immer ein Vorbild“, erklärt der Engländer. „Ich fühle, meine Zeit ist jetzt gekommen.“