Weltmeister-Macher Sdunek wird 65

Stuttgart (dpa) - Er ist der Weltmeister-Macher in der Ringecke: Fritz Sdunek formte mehr als zehn Box-Champions, unter ihnen die Klitschko-Brüder und Dariusz Michalczewski. Erst am vergangenen Freitag führte er Felix Sturm zum Sieg.

Am 18. April wird er 65 Jahre alt.

Es war eine Konstellation, wie sie andere Box-Trainer begeistert hätte: gleich zwei ehemalige Schützlinge als Gegner in der Ecke gegenüber. Sdunek aber war in Köln anzusehen, wie er mitlitt. Mit Boxer Sebastian Zbik und mit Trainer Artur Grigorian, die von Sdunek und seinem Athleten Sturm deutlich besiegt wurden. „Man muss die Gefühle ausschalten können“, hatte Sdunek vor dem WM-Kampf gesagt. „Es ist mir schwergefallen“, gab er hinterher zu.

Denn der in Lüssow bei Greifswald geborene Sdunek ist keine strenge Autorität in der Ringecke, kein Trainer-General, der keinen Widerspruch duldet. Sondern er ist Kumpeltyp, der sich von seinen Boxern duzen lässt, väterlicher Freund. „Papa Fritz“ nennt ihn der frühere Weltmeister Grigorian noch heute.

Seinen Geburtstag begeht Sdunek, wie könnte es anders sein, im Boxgym. „Ich habe keine Zeit zum Feiern, ich muss trainieren“, sagte er. Er will schließlich einen weiteren Weltmeister machen. Sein neuer Schützling Ola Afolabi aus Großbritannien fordert am 5. Mai in Erfurt Cruisergewichts-Champion Marco Huck heraus. „Eingebrockt“ haben ihm das Engagement die Klitschko-Brüder, für deren K2-Promotion Afolabi kämpft.

Schwergewichts-Champion Vitali Klitschko ist Sduneks prominentester Boxer. 1996, nach dem Wechsel von Vitali und Bruder Wladimir zum Hamburger Universum-Boxstall, übernahm er das Training der beiden Ukrainer. Beide machte er zu Weltmeistern, aber nur mit Vitali war die Partnerschaft von Dauer. Wladimir ersetzte Sdunek 2004 durch den Amerikaner Emanuel Steward.

Schon während seiner aktiven Zeit als Boxer in der DDR begann Sdunek als Trainer beim SC Traktor Schwerin zu arbeiten. Nach 129 Kämpfen und 99 Siegen beendete er seine Karriere, die er selbst als „mittelmäßig“ bezeichnet. Im Anschluss begann sein steiler Aufstieg. Andreas Zülow führte der Diplom-Sportlehrer 1988 zum Olympiasieg in Seoul. Und lehnte dort das Angebot eines kanadischen Funktionärs ab, für die Summe von einer Million Dollar gemeinsam mit Zülow aus der DDR zu flüchten.

Nach der Wende führte sein Weg dann doch nach Westen. Sdunek heuerte als Trainer beim Bundesligaclub Bayer Leverkusen an und betreute gleichzeitig die niederländische Nationalmannschaft. 1993 wechselt er die Seiten: er trainiert nicht nur die Universum-Profis, er wohnt auch im Hamburger Gym. Sein erster Weltmeister wird ausgerechnet der zuvor als untrainierbare geltende Ralf Rocchigiani. Den Raucher, der auch gerne mal ein Bier trinkt, führt er 1995 in England zum WM-Sieg über Lokalmatador Carl Thompson.

Auch Dariusz Michalczewski, den Rumänen Michael Löwe, die Ungarn Zsolt Erdei, Karoly Balzsay und Istvan Kovacs, den Kubaner Juan Carlos Gomez und Artur Grigorian aus Usbekistan macht er zu Weltmeistern. Seit der Trennung von Universum vor zwei Jahren arbeitet Sdunek als freiberuflicher Trainer. Vitali Klitschko, Erdei und Sturm hielten ihm die Treue. „Fritz ist ein Professor“, sagt Sturm voller Bewunderung.

In seiner unlängst veröffentlichten Autobiographie „Durchgeboxt. Mein Leben am Ring“ schildert Sdunek aber auch eine schwere Zeit. 2007 wurde bei ihm Hautkrebs diagnostiziert, ein Tumor in der Lippe. Während der Bestrahlung hatte Sdunek sogar Suizidgedanken. In seinem Buch schreibt er: „Ich dachte nicht darüber nach, wie ich es tun wollte, so weit war ich noch nicht. Aber ich wusste, dass ich niemandem zumuten wollte, mich als Pflegefall durchschleppen zu müssen. Und mir nicht, unnötig zu leiden. Ich wollte keinen schleichenden, quälend langsamen Verfall, und so erschien mir der Freitod als die beste Lösung.“

Aber aufgeben passt nicht zu ihm. Sdunek kämpfte sich zurück an den Ring. Und kündigt an: „Ich werde so lange im Boxen tätig sein, bis es wirklich nicht mehr geht.“