Der Angriff auf den Tourneesieg

Von den deutschen Athleten hat Severin Freund die größten Chancen.

Oberstdorf. Sie spielen um Zehnerl und Fünfzgerl. Und sie teilen redlich. „An einem guten Tag gewinnt man 20 Euro, an einem schlechten verliert man sie“, sagt Andreas Wellinger. Schafkopfen. Das Kartenspiel, bei dem die deutschen Skispringer zur Ruhe finden. Auch bei der 62. Vierschanzentournee, die am Samstag mit der Qualifikation zum Auftaktspringen in Oberstdorf beginnt. Der erste Höhepunkt im olympischen Winter wird anstrengend. Körperlich wie mental. Vier Schanzen, acht Wettkampfsprünge, dazu Training, Reiserei und Rummel bis zum Dreikönigstag.

Das Team steht sportlich im Fokus, weil die Deutschen Siegspringer haben. Typen wie Severin Freund, der den Weltcup in Lillehammer gewonnen hat. Die Leitfigur, über die Bundestrainer Werner Schuster trotz seines Sturzes in Engelberg gesagt hat: „Mir gefällt Severin sehr gut, wie er springt und wie er arbeitet. Er hat die meiste Erfahrung und ist sehr fokussiert.“

Dazu hat Schuster Andreas Wellinger, der auch diese Saison in Engelberg und in Klingenthal schon als Zweiter vom Podest gestrahlt hat. Der 22-jährige deutsche Meister Marinus Kraus hat in Kuusamo mit Platz zwei geglänzt und Richard Freitag überrascht, als er bei seinem Comeback nach dem Mittelfußbruch in Lillehammer Dritter geworden war. Fünf Podiumsplätze durch vier Springer.

„Wir stehen auf mehreren Säulen“, sagt Werner Schuster. Ein angenehm beruhigendes Gefühl, das mehrheitlich Schusters eigener Verdienst ist. Weil der Chefcoach ein System geschaffen hat, das eine Durchlässigkeit von unten nach oben gestattet. Symbolfiguren dafür sind neben den im Vorjahr aus dem C-Kader emporgeschossenen Andreas Wellinger und Karl Geiger, obendrein Marinus Kraus.

Der Nachwuchs ist nicht mehr nur Ergänzung, er ist eine Verstärkung. Der Lohn: Erst hat Marinus Kraus den siebten Weltcup-Startplatz ergattert, für die Zeit bis nach der Tournee war es Martin Schmitt. Der 35-Jährige hat sich damit seine 18. Teilnahme erkämpft.

Freund, Freitag, Wellinger: „An der Spitze haben wir ein Dreigestirn, das um Siege springen kann. Das ist schon viel, es hat kein Land mehr“, sagt Werner Schuster.

Doch auch die Konkurrenz ist stark: Die Österreicher stellen mit Gregor Schlierenzauer den Titelverteidiger und Favoriten. Thomas Morgenstern kämpft nach seinem Sturz in Titisee-Neustadt noch mit den körperlichen Folgen, hatte zuvor jedoch exzellente Flüge. Die Polen haben Kamil Stoch, die Norweger mit dem extrem starken Anders Bardal eine stabile Kenngröße. Dazu gesellt sich der Schweizer Simon Ammann. Wer den Zirkel um die Besten zieht, sieht, der Kreis der Favoriten ist größer geworden. Das Niveau ist gestiegen. Die Deutschen führen die Nationenwertung (1523 Punkte) vor Polen (1431) und Österreich (1321) an. „Es herrscht gesunder Druck“, sagt Werner Schuster.

“ Qualifikation in Oberstdorf, Samstag, 16.20 Uhr, ARD

“ Auftaktspringen, Sonntag, 16.15 Uhr, ARD

“ Ein Porträt über Gregor Schlierenzauer lesen Sie im Wochenend-Magazin