Deutsche turnen „Rodeo“ am Pferd - Olympia in Gefahr

Glasgow (dpa) - Die Ernüchterung war Fabian Hambüchen nach dem „Rodeo“ auf dem Pauschenpferd ins Gesicht geschrieben.

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An seinem 28. Geburtstag führte der Wetzlarer die deutsche Riege bei den Turn-Weltmeisterschaften in Glasgow an fünf Geräten zu einer stabilen Leistung, ehe am „Zitterpferd“ gleich drei schwere Patzer passierten. Nun muss das Team um die direkten Olympia-Tickets zittern. Im Zwischenklassement liegen die Deutschen mit 345,717 Punkten nach drei von acht Durchgängen nur auf dem siebten WM-Platz. Für die direkten Olympia-Tickets müssen sie am Montag noch in den Top 8 verbleiben - was als höchst unwahrscheinlich gilt.

„Was soll's? Wir haben jetzt ein weitere Reise nach Rio gewonnen“, scherzte Marcel Nguyen schon wenige Minuten nach dem miesen Auftritt am ungeliebten Pferd. Er spielte damit auf die zweite Chance an: Im April 2016 werden in Rio noch einmal Olympia-Tickets an vier Teams vergeben. Zugunsten des Mannschafts-Resultats hatten fast alle Turner auf schwierige Elemente verzichtet und damit das Risiko minimiert. „Dieser Plan ging auf - bis zum Pferd“, sagte Hambüchen. „Da war der Wurm drin. Das war Rodeo, was wir da gemacht haben.“

Die Turner pushten sich nach jeder gelungenen Übung, klatschten sich ab, bewiesen echten Teamgeist, ehe am Schlussgerät Pferd die Gesichter immer länger wurden. Zudem haderte Hambüchen mit einigen niedrigen Bewertungen einiger Übungen durch die Kampfrichter. „Sie haben uns nicht mit Punkten beschenkt“, sagte er. Am Reck musste das Geburtstagskind beim Handstand nach dem Adler kurz nachdrücken, doch unterstrich er mit der Übung (15,20) dennoch seine Final-Ambitionen. Andreas Bretschneider stand ihm auch ohne seinen Doppelsalto mit zwei Schrauben kaum nach (15,066).

Auch der Olympia-Zweite Nguyen stellte sich voll in den Dienst des Teams und verzichtete mit Fingerverletzung am Barren (15,20) auf seinen derzeit nicht stabilen Tsukahara-Abgang. „Ich bin stolz auf dieses Team. Es war klar, dass es für uns mit diesen Verletzungsproblemen ganz schwer werden würde. Wir werden trotzdem mit einem Bier auf Fabi anstoßen“, verkündete er. Cheftrainer Andreas Hirsch appellierte an das Team, jetzt nicht nervös zu werden. „Es wäre unklug, jetzt hektische Flecken zu bekommen und wüst alles infrage zu stellen. Der Zug in Richtung Rio rollt weiter.“

In Führung liegt im Zwischenklassement die Riege Japans mit 358,884 Punkten, die auf dem besten Weg scheint, Titelverteidiger China (357,027) die erste Niederlage seit Olympia 2004 beizubringen. Im Mehrkampf ist der Japaner Kohei Uchimura aus Japan (90,564) auf Kurs zu seinem sechsten Mehrkampf-Titel in Serie.

Tags zuvor hatten auch schon die deutschen Turnerinnen mit den Konsequenzen ihres enttäuschenden WM-Auftritts mit Rang zwölf leben müssen. Wegen der zweiten Qualifikationschance im April in Rio steht ihnen ein harter Winter bevor. „Wir werden eher mit dem Training einsteigen. Das heißt, der Weihnachtsurlaub wird gestrichen“, stellte Cheftrainerin Ulla Koch klar.

„Die Welt geht nun nicht unter“, tröstete sie ihre Schützlinge, die noch 24 Stunden nach ihrem Auftritt Tränen in den Augen hatten. Es sei aber eine Illusion zu glauben, dass die zweite Qualifikation einfacher werde.