Deutschland-Achter bei WM-Generalprobe geschlagen

Luzern (dpa) - Die jahrelange Regentschaft des Deutschland-Achters ist vorerst zu Ende. Erstmals seit Peking 2008 musste das Paradeboot des Deutschen Ruderverbandes (DRV) auf einer internationalen Großregatta eine Niederlage hinnehmen.

Nach dem zweiten Rang beim Weltcup-Finale auf dem Rotsee hinter den Amerikanern gilt die Crew um Schlagmann Eric Johannesen (Hamburg) nicht mehr als Favorit für die WM Ende August in Südkorea. Der Frust über die Niederlage hielt sich bei Trainer Ralf Holtmeyer jedoch in Grenzen: „Es war klar, dass es nicht ewig so weiter gehen konnte.“

Anders als in den vergangenen Jahren gab es einen Gegner, der den deutschen Erfolgscode knackte. Selbst der fulminante Start der Olympiasieger konnte das US-Team nicht beeindrucken. Bis zur 1000-Meter-Marke blieb es in Schlagdistanz und zog auf der zweiten Streckenhälfte vorbei. Im Finish kamen die Deutschen noch einmal heran, aber 0,38 Sekunden hinter den Amerikanern ins Ziel. Schlagmann Johannesen hofft auf eine WM-Revanche in sechs Wochen: „Auf dem Mittelstück haben uns die Amerikaner abgekocht. Aber ich erwarte in den Trainingslagern einen großen Sprung nach vorn.“

Von einer optimalen Vorbereitung wie vor London 2012 konnte bisher keine Rede sein. So machte sich der Schlagmann direkt nach dem Rennen auf den Heimweg nach Hamburg, weil schon am Montag eine Uni-Klausur ansteht. „Wir haben uns in den vergangenen Monaten die Freiheit gewonnen, den Schwerpunkt auf das Stadium zu legen“, sagte Johannesen.

Die knappe Niederlage des Achters brachte die DRV-Flotte um eine bessere Gesamtbilanz in den 14 olympischen Klassen. Für das einzige Gold sorgte der Frauen-Doppelvierer. Zweimal Silber für den Einer-Fahrer Marcel Hacker und den Männer-Doppelvierer sowie einmal Bronze für den Männer-Doppelzweier stimmten DRV-Cheftrainer Marcus Schwarzrock versöhnlich: „Hier war die komplette Weltspitze vertreten. Deshalb kann ich zufrieden sein.“

Als größte Goldhoffnung reist der Frauen-Doppelvierer zur WM. Die Europameisterinnen um Schlagfrau Britta Oppelt (Berlin) kamen knapp zwei Sekunden vor der Crew aus Polen ins Ziel. „Wir hatten viel Spaß unterwegs“, sagte Annekatrin Thiele. In erster Euphorie machte die Leipzigerin aus den Zielen für Südkorea keinen Hehl: „Dort wollen wir auf dem Treppchen ganz oben stehen.“

Ähnliche Pläne schmiedet der Männer-Doppelvierer. Und dass, obwohl diesmal die Kroaten - anders als in London 2012 - mit einer Bootslänge Vorsprung gewannen. Das nahm Olympiasieger Tim Grohmann (Dresden) aber nicht die Zuversicht für die WM: „Wir haben bisher noch nicht viel gemeinsam trainiert. Aber ich bin mir sicher, dass wir zu alter Stärke zurückfinden.“

Zu den Lichtblicken zählte Routinier Hacker. Drei Wochen nach seinem vierten Platz beim Weltcup in Eton setzte der 36 Jahre alte deutsche Skiff-Meister die Forderung von Chefcoach Schwarzrock nach einer Leistungssteigerung um. Nur der Olympiazweite Ondrej Synek (Tschechien) war schneller als der Magdeburger, der in Rio zum fünften Mal bei Olympia starten will. „Nach so langer Zeit ein solches Comeback zu feiern, ist schon etwas Besonderes. In diesem Jahr ist noch Einiges möglich“, kommentierte Hacker die erste Einer-Medaille auf dem Rotsee seit zehn Jahren.

Sieht man jedoch von den starken DRV-Booten ab, sind Defizite im nacholympischen Jahr unverkennbar. Vor allem die Schwächen im leichten Männer-Bereich und bei den Riemen-Ruderinnen bereiten Schwarzrock Kopfzerbrechen. Aus diesen Bootsklassen stand nur der Frauen-Achter im Rotsee-Finale, kam aber nicht über Rang fünf hinaus. „Die Lücke in diesen Bereichen wird sich bis zur WM wohl kaum schließen lassen“, bekannte der DRV-Chefcoach.