Froome-Show auf dem Ventoux - Skeptiker auf dem Plan

Mont Ventoux (dpa) - Der rechte Arm zeigte in den Himmel, im Gesicht hatte er ein breites Lächeln: Als Christopher Froome den Gipfel des Mont Ventoux auf 1912 Metern erreichte, war ihm das Gefühl des Triumphs deutlich anzusehen.

Der schmale Sky-Kapitän hatte sich in eindrucksvoller Manier den Weg zum zweiten Toursieg eines britischen Radprofis nach Bradley Wiggins auf den Pariser Champs Elysées geebnet. „Das Rennen ist vorbei - das ist schade für die Tour, aber so ist es“, sagte der dreifache Toursieger Greg LeMond (USA).

Mit schier unglaublicher Leichtigkeit hatte der Tourfavorit aus Großbritannien zuvor auf dem legendären Berg in der Provence seine Konkurrenten abgehängt. Froome gewann nicht nur die 15. Etappe beim 100. Tourjubiläum mit einer unglaublichen Solo-Show, sondern baute den Vorsprung an der Spitze der Gesamtwertung auf seine Widersacher weiter aus. Der Niederländer Bauke Mollemea liegt acht Tage vor dem Finale in Paris jetzt 4:14 Minuten zurück, der zweifache Toursieger Alberto Contador 4:25 Minuten. Und die Alpen stehen noch bevor.

Erst nach der Zieldurchfahrt zeigte Froome ein kleines Zeichen der Schwäche. „Fünf bis zehn Minuten“ habe er unter einer Sauerstoffmaske verbringen müssen, weil er so ausgepumpt gewesen sein, berichtete Froome.

Dennoch gibt es nach diesem Auftritt kaum noch Zweifel am Gesamtsieg des 28-Jährigen in Kenia geborenen Briten. Seine Überlegenheit auf dem Mont Ventoux dürfte aber auch die Skeptiker wieder auf den Plan rufen. „Man muss per se Zweifel haben“, sagte der langjährige Lance Armstrong-Kritiker LeMond weiter. Froome wollte darauf nicht eingehen und freute sich nur. „Das war der größte Sieg meines Lebens. Dieser Berg ist historisch für dieses Rennen. Ich habe nicht gedacht, dass ich diese Etappe gewinnen würde, sondern wollte einfach nur meinen Vorsprung vergrößern“, sagte Froome.

Eine etwas abweichende Version hielt sein Teammanager Dave Brailsford bereit. „Unser Plan ist aufgegangen. Chris sollte bei etwa sieben Kilometer attackieren. Die einzige Unbekannte war der Wind, aber der spielte heute keine Rolle. Heute ist alles perfekt gelaufen“, freute sich der mächtige Macher. Die Etappe war bei Temperaturen über 30 Grad in Rekord-Tempo absolviert worden - Froome erreichte das Ziel rund 40 Minuten vor der in der Marschtabelle schnellsten errechneten Zeit.

Der bisherige Überraschungszweite Mollema scheint nicht mehr viel Gedanken an einen Angriff auf Froome zu verschwenden. „Ich habe nicht viel Zeit auf Contador verloren. Froome ist der Beste in den Bergen, aber das haben wir schon letztes Wochenende in den Pyrenäen gesehen“, erklärte der Niederländer.

Alles hatte sich auf der mit 242,5 Kilometer längsten Touretappe auf das brutale Finale konzentriert. Auf dem 20,8 Kilometer langen Schlussanstieg lieferten sich die Favoriten ein gnadenloses Ausscheidungsrennen. Den ersten entscheidenden Punch setzte Froome 7,3 Kilometer vor dem Ziel, als er Contador - beileibe ein Bergspezialist - wie einen Hobbyfahrer stehen ließ. Der wie entfesselt fahrende Spitzenreiter schloss wenig später zum in Führung liegenden Nairo Quintana auf, der 13 Kilometer vor dem Ziel attackiert hatte. Den ließ er dann auf den letzten 1300 Metern zurück und verwies ihn in der Endabrechnung auf Rang zwei.

Der 1912 Meter hohe Berg, der auf den letzten 150 Höhenmetern ohne Vegetation einer Mondlandschaft gleicht, hatte am 13. Juli 1967 traurige Berühmtheit erlangt. Beim Aufstieg hatte der Brite Tom Simpson einen tödlichen Hitzschlag erlitten. Später waren in seinem Blut Spuren von Amphetaminen und Alkohol nachgewiesen worden. Im Folgejahr wurden Dopingkontrollen bei der Tour obligatorisch, allerdings nicht sehr ernst genommen. Bei Verstößen wurden früher geringe Geldstrafen oder Sekundenzuschläge ausgesprochen.

Auf der 14. Etappe am Vortag hatte Matteo Trentin aus der Tony Martin-Mannschaft in Lyon für den ersten italienischen Tagessieg bei der diesjährigen Tour gesorgt. „Wir haben jetzt vier Etappensiege. Alles, was jetzt noch kommt, ist Bonus“, war Rolf Aldag, der technische Manager im Omega Quick-Step-Team, mit der Zwischenbilanz zufrieden.