Basketball Dirk Nowitzki: Der magische Abschied des Größten - eine Würdigung

Dallas · Nach dem 1521. Spiel für die Dallas Mavericks verkündete Dirk Nowitzki seinen Rücktritt. Beobachtungen an einem sehr emotionalen Abend – und der Versuch einer Würdigung.

Dirk Nowitzki kämpft mit den Tränen.

Foto: dpa/Vernon Bryant

Der Reunion Tower in Downtown, vielleicht das bekannteste Wahrzeichen von Dallas, erstrahlt nachts mit Lichterspiel. Der kugelähnliche Korb auf dem Turm bescheint die Stadt bunt, die Farben können anlassbezogen gesteuert werden.  Am Dienstagabend  leuchtete die Kuppel in Schwarz, Rot und Gold. Und die LED-Lichter erschienen in einer Art um die Kugel wanderndes Spruchband. Darauf: „Danke Dirk!“

Der Turm gilt als Erkennungszeichen der Stadt. Und war an diesem Abend doch nur Projektionsfläche einzigartiger Geschichte. Es war 22.25 Uhr, als eineinhalb Meilen entfernt knapp  20 000 Menschen Zeugen eines sporthistorischen Augenblicks wurden. „That was my last homegame“, sagte Dirk Nowitzki ins Hallenmikrofon. Eigentlich nuschelte er mehr, dass dies sein letztes Heimspiel gewesen war. Was er damit auch sagte, ohne es explizit auszusprechen: Nach der letzten Partie seiner 21. Saison in der stärksten Basketball Liga der Welt wird er in San Antonio am Mittwochabend seine Stiefel für immer an den Nagel hängen.

Mehr Zeit für seine Frau Jessica
und die drei Kinder

Dann sagte der gebürtige Würzburger, wie dankbar er für die letzten 20 Jahre ist und dass er sich jetzt vermehrt um seine Frau Jessica und seine Kinder Malaika (5), Max (4) und Morris (zweieinhalb) kümmern will. Er wolle den Kids „Sachen ermöglichen, da freue ich mich richtig drauf“, sagte er. Und dann: „Ich bin ein bisschen überwältigt. Ich probiere gerade meine Yoga-Atmung aus, aber es funktioniert nicht so richtig.“

2008 beim Training mit der deutschen Nationalmannschaft.

Foto: Marcus Führer

Er lächelte dabei und wirkte gefasst, auch wenn der 40-Jährige immer mal wieder schlucken musste. Tränen waren ihm gegen Ende des zweiten Viertels der Partie gegen die Phoenix Suns in die Augen geschossen, als in einer Auszeit auf dem riesigen Würfel unterm Hallendach ein Video eingespielt wurde, das ihn mit todkranken Kinder zeigte, mit denen er herumalberte und ihnen mit seinem Besuch einen Wunsch erfüllte.

21 Spielzeiten für einen Klub –
das gab es noch nie

Basketballstar, Millionär, Weltstar: Dirk Nowitzki in Dallas.

Foto: dpa/Tony Gutierrez

Dass das American Airlines Center an diesem hochemotionalen Abend nicht zu einem Tempel der Tränen mutierte, lag am Hauptdarsteller, der erklärte, seine Entscheidung sei in den vergangenen Tagen gereift. Zuvor hatte Nowitzki immer wieder betont, er wolle nach der Saison im Karibikurlaub mit der Familie über seine Zukunft entscheiden. Mit der Fortsetzung seiner einzigartigen Karriere hatte er zuletzt auch immer wieder kokettiert, was ihn zum alleinigen Rekordhalter der NBA-Geschichte gemacht hätte: 22 Spielzeiten hat noch keiner seine Knochen hingehalten. 21 für einen Klub – wie Nowitzki für die Mavericks – auch noch niemand. Aber: „Es hat einfach keinen Sinn mehr gemacht“, sagte Nowitzki. Er bedankte sich bei Klubbesitzer Mark Cuban und Trainer Rick Carlisle „für diesen Abend“ und bei „allen Fans, die mich unterstützt haben“. Am Ende ging eine Legende.

Der Ruf Nowitzkis in den Staaten ist gigantisch. Und in Deutschland kaum einzuschätzen, auch weil den Deutschen der amerikanische Starkult suspekt ist. Nicht genug damit, dass in der Halbzeitpause allerlei ehemalige und aktuelle Basketballprominenz auf dem eingespielten Video Lobeshymnen auf Nowitzki sang. Nach der Partie, die Dallas mit 120:109 gewann, wurde er mit einem minutenlangen Video gewürdigt, ehe die NBA-Legenden Charles Barkley, Larry Bird, Scottie Pippen und Shawn Kemp sowie Detlef Schrempf das Parkett betraten. Um einem der ihren ihre Ehre zu erweisen. Viel mehr geht nicht. Die Überraschung für Nowitzki war gelungen. Er stand angesichts des prominenten Besuchs verdutzt auf dem Parkett. „Alle fünf waren meine Idole. Der Einzige, der gefehlt hat, war Michael Jordan, er war meine Nummer eins“, sagte Nowitzki. Barkley, einer der besten Spieler der Geschichte, sprach ins Rund: „Lasst mich eins über Dirk Nowitzki sagen: Er ist der netteste Mensch aller Zeiten. Es war eine Ehre und ein Privileg, dir zuzusehen. Genieße den Rest deines Lebens.“ 30 Zähler machte Nowitzki in seinem letzten Heimspiel – das war ihm zuletzt im März 2016 gelungen.

Die Ex-Basketball-Heroen Scottie Pippen (l.) und Larry Bird (r.) beehren Nowitzki zum Abschied.

Foto: dpa/Tony Gutierrez

Nun tritt er mit unzähligen NBA-Rekorden ab. Nicht schlecht für einen, der früher lieber Handball und Tennis spielte und Basketball für Frauen-Sport hielt – vermutlich, weil Mutter und ältere Schwester Basketball-Nationalspielerinnen geworden waren. Ganz vorne bleibt stehen: Dirk Nowitzki war der erste Europäer, der in der NBA zum wertvollsten Spieler einer Spielzeit gekürt wurde (Saison 2006/07). Als erster Deutscher gewann er den NBA-Titel (2011) und wurde zum wertvollsten Spieler der Finalserie auserkoren. Mit nun 31 540 Punkten ist Nowitzki der Sechstbeste in der ewigen Korbjägerliste der NBA, und mit 10 011 Defensivrebounds gehört er zu den Top Fünf derjenigen, die sich die meisten Abpraller unterm eigenen Korb gekrallt haben.

Vor gut 20 Jahren, am 5. Februar 1999, betrat Dirk Werner Nowitzki erstmals das Parkett der besten Basketball-Liga der Welt. Es war außergewöhnlich, dass ein No-Name-Rookie wie er im ersten Spiel von Anfang an mitspielen durfte. „Er kam mir wie ein Baby vor, das man im Urwald ausgesetzt hat“, sagte Trainer Don Nelson seinerzeit. Der Mogli der NBA schätzte es damals so ein: „Da war ich total neben der Spur. Ich war wegen der NBA-Premiere nicht sonderlich nervös. Aber als es losging, dachte ich plötzlich an alles außer Basketball. Ich war richtig im falschen Film, und das war auch für mich ziemlich enttäuschend.“

Nowitzki-Masken wurden zum Abschied in Dallas verteilt.

Foto: dpa/Vernon Bryant

Im Hotelzimmer über Stunden
die eigenen Fehler studiert

Anschließend habe er sich im Hotelzimmer eine Ewigkeit seine Fehler anschauen müssen: „Bis zum Erbrechen, stundenlang das Video auf- und abgespult.“ Es sollte helfen: „Beim nächsten Spiel in Golden State habe ich 16 Punkte gemacht und gezeigt, dass ich mithalten kann.“

2001: Dirk Nowitzki in seiner Anfangszeit bei den Mavericks.

Foto: dpa/Gero Breloer

Gerade einmal gut 20 Stunden blieben Nowitzki von seiner Rücktrittsverkündung bis zu dem Zeitpunkt, als er das allerletzte Mal NBA-Parkett betrat am Mittwochabend in San Antonio. „Ich glaube schon, dass es hart wird“, hatte er vergangenen Freitag in der Kabine der Mavericks gesagt, als er gefragt worden war, wie er sich die Zeit ohne Basketball zu spielen, vorstelle. Seit er 15 ist, tat er das auf professionellen Niveau. „Ich werde es vermissen.“

Da Dallas die Playoffs verpasst hat, wird die Partie am Donnerstag (2 Uhr/DAZN) bei den San Antonio Spurs der letzte reguläre NBA-Auftritt für Nowitzki. Danach beginnt ein neues Leben, Nowitzki will in Dallas bleiben, er fühlt sich inzwischen als „Texaner“. Und dann soll es „Pizza zum Frühstück“ geben. Das ist doch schon mal ein Anfang.

>>>Lesen Sie auch den Kommentar: Dirk Nowitzki - Was für eine Geschichte