Hörmann spricht Tacheles DOSB-Neujahrsempfang: Kritische Töne statt höfliche Floskeln
Frankfurt/Main (dpa) - Statt der gewohnten höflichen Floskeln waren beim Neujahrsempfang des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) im Frankfurter Römer vor allem kritische Töne zu hören.
Ob Olympia-Bann für Russland, der Trump-Erlass zum Einreiseverbot für bestimmte Nationalitäten in die USA oder die Leistungssportreform in Deutschland: Es wurde Tacheles geredet. „Das Projekt ist ein Marathon“, sagte DOSB-Chef Hörmann zu der beschlossenen, aber nun vor der Umsetzung stehenden Reform des Spitzensports in Deutschland.
„Es gab schon zahlreiche Konzepte, nicht nur im Sport, die wieder in der Schublade verschwunden sind“, mahnte Hörmann. Das Ziel, Deutschland dichter an die Weltspitze heranzuführen und wieder mehr Medaillen zu gewinnen, sei längst nicht erreicht. „Wir haben trainiert, uns auf den Wettkampf vorbereitet“, erklärte er. Jetzt gehe es an den Start, auch wenn noch viele Steine bei der Umsetzung aus dem Weg zu räumen seien. „Wer meint, dass wir durch sind, irrt gewaltig. Mit Blauäugigkeit sind wir nicht unterwegs.“
Dies gilt auch für eine immer drängender werdende Antwort auf die Frage nach einer klaren Linie zu den Konsequenzen aus dem Doping-Skandal im russischen Sport. „Wenn das, was im McLaren Report steht, sich bestätigt, bin ich dafür, klare Kante zu zeigen - nicht nur denen gegenüber, die sich individuell schuldig gemacht haben“, betonte Hörmann. „Sondern man muss darüber nachdenken: Wenn systematisch gedopt wurde, muss auch systematisch bestraft werden.“
Auf jeden Fall soll eine Entscheidung mit Blick auf die Olympischen Winterspiele 2018 in Südkorea nicht auf die lange Bank geschoben werden. „Mein Appell ist, dass wir in den kommenden Monaten zu Klarheit kommen. „Pyeongchang darf nicht ein zweites Rio werden.“ Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte sich nicht für einen Komplett-Ausschluss der Russen bei den Spielen 2016 entschieden, dagegen wurden sie von den anschließenden Paralympics verbannt.
„Wie man Glaubwürdigkeit schützen kann, hat das Internationale Paralympische Komitee in Rio gezeigt“, meinte Hessens Sportministers Peter Beuth. Und appellierte: „Das IOC sollte sich die Haltung des IPC zu eigen machen, wenn es die olympische Charta schützen und die am Sport interessierten Menschen nicht verlieren will.“
Allerdings könnte laut Hörmann auch die Politik ein Zeichen setzen und überdenken, ob die geplante Weltsportministerkonferenz Anfang Juli im russischen Kazan veranstaltet werden muss. Die Frage sei, ob es Sinn mache, diese Konferenz ausgerechnet dorthin zu vergeben. „Die weltweit wichtigste sportpolitische Veranstaltung findet dort statt, wo sportliche Wettbewerbe nicht mehr stattfinden“, meinte Hörmann. Nach dem Doping-Skandal in Russland hatte das IOC aufgefordert, keine internationalen Sportveranstaltungen dorthin zu vergeben.
Als „schlichtweg inakzeptabel“ kritisierte der DOSB-Chef das von US-Präsident Donald Trump verfügte Einreiseverbot für Menschen bestimmter Nationalität. „Im Sport gibt es klare Regeln und ein klares Grundverständnis: Nämlich weltweiten Zugang, unbenommen der Frage der Religion und der Herkunft“, sagte Hörmann, der Auswirkungen auf die Olympia-Bewerbung von Los Angeles für 2024 nicht ausschloss. „Wer 2024 das weltgrößte Sportfest in seinem Land haben möchte, bereitet dem Projekt einen Bärendienst mit so einem Beschluss.“