DOSB-Schmied Manfred von Richthofen gestorben
Berlin (dpa) - Um eine klare Meinung war Manfred von Richthofen nie verlegen, Rückschläge konnten den streitbaren Sportfunktionär nicht bremsen.
Mit der Fusion von DSB und NOK zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vollendete der Berliner 2006 gegen alle Widerstände sein sportpolitisches Lebenswerk. Auch als Ehrenpräsident sagte er danach immer deutlich, was er dachte. Am Donnerstag ist Manfred von Richthofen im Alter von 80 Jahren in einem Berliner Krankenhaus gestorben.
„Er war ein streitbarer Geist, der sich vehement für die Interessen des Sports in Deutschland eingesetzt hat“, erklärte IOC-Präsident Thomas Bach am Freitag und zeigte sich betroffen von der Todesnachricht. Der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) war bis zum vorigen Jahr erster DOSB-Präsident und würdigte die Verlässlichkeit seines Partners.
Von Richthofen habe sich um das gesamte Land verdient gemacht, erklärte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Der gesamte deutsche Sport sei in tiefer Trauer. „Er hat sich als Sportpolitiker um die vielfältigen Themen des Sports große Verdienste erworben, besonders für das Thema Breitensport/Sportentwicklung stand er wie kaum ein Zweiter. Er hat für den Sport in seiner gesellschaftspolitischen und sozialen Bedeutung wichtige Weichen gestellt“, betonte Hörmann, seit vorigem Dezember Nachfolger von Bach als DOSB-Chef.
Der langjährige Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Helmut Digel, erinnerte sich an „viele Gefechte, aber ich habe mich mit ihm gerne gestritten. Er hat nie um den heißen Brei herumgeredet.“ Wer von Richthofen begegnete, bekam stets einen entschlossenen, festen Händedruck und eine dezidierte Antwort auf alle Fragen. „Er hat sehr viel bewegt, war nicht immer bequem“, sagte DOSB-Vizepräsidentin Christa Thiel.
Der Neffe des als „Roter Baron“ bekannten gleichnamigen Jagdfliegers aus dem Ersten Weltkrieg feierte vor knapp drei Monaten seinen 80. Geburtstag und meldete sich damals im Vorfeld der Olympischen Winterspiele mit seiner markanten Stimme gewohnt klar zu Wort. Dass Bundespräsident Joachim Gauck nicht nach Sotschi reiste, begrüßte der Unternehmer als starkes politisches Zeichen. Eisschnellläuferin Claudia Pechstein konnte er sich als deutsche Fahnenträgerin nicht vorstellen.
Von Richthofens Abschied von der aktiven Bühne der Sportpolitik ist inzwischen bald acht Jahre her. Am 20. Mai 2006 erreichte er sein großes Ziel, als sich Deutscher Sportbund (DSB) und Nationales Olympisches Komitees (NOK) zum DOSB zusammenschlossen. Ein erster Versuch zehn Jahre zuvor war am Widerstand des damaligen NOK-Präsidenten Walther Tröger gescheitert. Erst mit Hilfe von dessen Nachfolger Klaus Steinbach konnte von Richthofen seinen großen Plan in die Tat umsetzen.
Seit 1994 stand von Richthofen an der Spitze des DSB. Sein Vorgänger Hans Hansen charakterisierte ihn einmal trefflich mit den Worten: „Er ist ein kritischer Geist, er integriert, aber er kann auch polarisieren.“ Aber auch eine Meinung ändern: Im vorigen Jahr befürwortete der frühere Hockeyspieler und -trainer und Lehrer am Berliner Canisius-Kolleg ein Anti-Doping-Gesetz. Der Staat verfüge durch rechtsstaatliche Mittel über ganz andere Durchgriffsmöglichkeiten, begründete von Richthofen den Kurswechsel.
Das Thema Doping beschäftigte ihn nach der deutschen Vereinigung intensiv. Als Vorsitzender der nach ihm benannten Kommission beschäftigte er sich mit der Dopingvergangenheit in der DDR. Schon 1981 war er als Unterhändler in der Ost-West-Verhandlungskommission, die Sport-Kalendergespräche führte, mit dem Sport in beiden deutschen Staaten befasst. Den neuen Bundesländern bescheinigte von Richthofen riesigen Nachholbedarf beim Breitensport, seine Bestandsaufnahme der Situation bei den vielerorts maroden Sportstätten mündete in den Goldenen Plan Ost. „Im deutschen Vereinigungsprozess hat er eine bedeutende Rolle gespielt“, stellte Digel fest.
Bevor Richthofen ab 1974 beim DSB als stellvertretender Vorsitzender des Bundesausschusses Leistungssport auch überregional wirkte, machte er zunächst im einstigen Westen Berlins Karriere in der Sportpolitik. 1967 wurde er Präsidiumsmitglied beim Landessportbund (LSB), 1970 Sportdirektor. Von 1985 bis 2000 führte er den LSB, parallel stieg er 1990 zum DSB-Vizepräsidenten auf und vier Jahre später zu dessen Chef. Seiner Heimatstadt blieb er trotz eines Wohnsitzes am Tegernsee stets verbunden. Mit der 1993 krachend gescheiterten Bewerbung um die Olympischen Spiele 2000 erlebte von Richthofen dabei auch eine deftige Niederlage. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit würdigte ihn dennoch als erfolgreichen Botschafter der Hauptstadt. Bei aller Meinungsfreudigkeit und mancher Schärfe war von Richthofen eines sicher nicht: humorlos.