Halbgötter auf Eis: Slowakei im WM-Fieber

Bratislava (dpa) - Dem Bann des Pucks kann sich niemand entziehen. Eishockey ist in der Slowakei Nationalsport, selbst politische Entscheidungen wurden schon auf dem Eis gefällt. Oberster Fan ist Staatspräsident Gasparovic.

Und nicht nur der betrachtet die WM im Karpatenstaat als einmalige Chance.

Der Präsident stimmt Dienstreisen auf Länderspiele ab und führte schon die Queen aufs Glatteis: Die Slowakei ist ein Eishockey-Land. Dem kultisch verehrten Nationalsport kann sich keiner entziehen, erst recht nicht bei der erstmals in dem kleinen Karpatenstaat stattfindenden Weltmeisterschaft. „Wir leben Eishockey“ - der inoffizielle WM-Slogan bringt die kollektive Begeisterung der Slowaken für den Sport mit dem Puck auf den Punkt.

„Was war das größte Unrecht, das den Slowaken bei der Trennung der Tschechoslowakei angetan wurde?“ Darauf gibt jeder Slowake nur eine Antwort: Dass der tschechoslowakische WM-Platz an die Tschechen ging, während die Slowakei in der untersten Weltgruppe neu anfangen musste. Staatspräsident Ivan Gasparovic erinnert daran auch nach mehr als 18 Jahren und betrachtet die Heim-WM 2011 als späte „Genugtuung“. Jetzt biete sich die Chance, „der Welt zu zeigen, dass wir eine wirkliche Eishockey-Nation sind“, sagte Gasparovic der Nachrichtenagentur dpa.

Von Politikern beschlossen, hat erst das Eishockey den neuen Staat beim Volk etabliert. Waren die Slowaken laut Umfragen mehrheitlich gegen die Teilung 1992/93, so akzeptierten sie den eigenen Staat erst, als die neue Eishockey-Auswahl schnell von Sieg zu Sieg eilte. Heute weint kaum noch jemand der alten Tschechoslowakei nach - zumal Siege gegen Tschechien stets mehr zählen als jeder Medaillengewinn.

Zumindest irgendein Satz über Eishockey gehört für ausländische Politiker bei Staatsbesuchen zum Minimum an Höflichkeit. Präsident Gasparovic, der offizielle Termine häufig mit den Auftritten der slowakischen Auswahl abstimmt, trifft man als Gast ohnehin bevorzugt in Eishallen. Sogar Queen Elizabeth II. schleppte der oberste Sportfan der Nation 2008 zu einem improvisierten Freundschaftsspiel zwischen einer englischen und einer slowakischen Mannschaft.

Die in der amerikanischen NHL und der russischen KHL erfolgreichen slowakischen Kufen-Cracks werden zu Hause verehrt. In einem Land, in dem jeder Besserverdienende konsequent dem Verdacht unsauberer Einnahmequellen ausgesetzt ist, sind die „Halbgötter auf Eis“ die einzigen, die niemand um ihre sagenhaften Gagen zu beneiden scheint. In Boulevard-Medien werden Romanzen, Ehe- oder Kinderglück fast schon ehrfürchtig verfolgt - kaum ein böses Wort ist zu lesen.

Zuletzt hat der Glanz des slowakischen Eishockeys nachgelassen. Seit dem frenetisch bejubelten WM-Titel 2002 und der Bronzemedaille ein Jahr danach gab es nichts mehr zu feiern. Im März 2010 wurde gar Glen Hanlon, ein kanadischer Ex-NHL-Torwart, als erster Nicht-Slowake auf die Trainerbank gesetzt.

Die Volksmeinung bröckelt, dass die Slowakei zu Unrecht nicht allgemein als weltbeste Eishockey-Nation anerkannt ist. Zumal Sportler wie die Schwimmerin Martina Moravcova oder Tennis-Ass Daniela Hantuchova den Kufencracks ihren Rang streitig machen. Aber bei einem WM-Erfolg wäre die alte Hackordnung wohl wieder hergestellt.