Modell Cortina unter der Lupe: Störfeuer zu WM-Beginn

Helsinki (dpa) - Eishockey-Bundestrainer Pat Cortina hat wahrlich keine einfachen Monate hinter sich. Erst seine unwürdige Ernennung, dann das Desaster bei der Olympia-Qualifikation, nebenher in seinem anderen Job eine enttäuschende Saison mit dem EHC München.

Die Weltmeisterschaft in Finnland ist auch für den Italo-Kanadier persönlich wegweisend. In diesem Winter habe nicht nur er Fehler gemacht, verteidigt sich Cortina aber auch.

An seinem Beispiel zeigt sich, wie wirr Strukturen und Abläufe im deutschen Eishockey geworden sind. Am Ende entscheidet die WM, ob Cortina als Coach und Sportdirektor in Personalunion eine Zukunft hat - der Verbandschef zweifelt bereits.

Nach Jobgarantie klingt das, was der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), Uwe Harnos, der „Süddeutschen Zeitung“ am Freitag sagte, jedenfalls nicht: „Möglicherweise muss man diese Doppelfunktion Sportdirektor und Bundestrainer hinterfragen. Ein Sportdirektor muss langfristig arbeiten, Konzepte entwickeln. Ein Bundestrainer ist erfolgsabhängig, um nicht in die Kritik zu geraten. Darüber muss man nachdenken.“ Schon vor dem WM-Turnier klagte Harnos, dass die Olympia-Quali-Pleite nicht wieder gutzumachen ist.

Die entscheidenden Matches in Finnland werden die gegen die vermeintlich gleichwertigen Gruppengegner aus Österreich, Lettland und Frankreich sein, darüber sind sich alle einig. Cortina ist zum Erfolg verdammt, die Schonzeit ist vorbei. Die historische Schlappe in der Olympia-Qualifikation mit dem Aus gegen Österreich „hat mir die Augen geöffnet“, meinte der Coach und räumte ein, von den Siegen davor geblendet und damit vor dem Debakel zu sorglos gewesen zu sein.

Der 48-Jährige war nicht die erste Wahl für den Job, aber Verband und Liga fanden nach einer monatelangen Bundestrainer-Suche keinen besseren. In das Casting involviert waren damals das aus Vertretern des DEB und der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zusammengesetzte Kompetenzteam Sport - für die Kandidatensuche zuständig - und auch das ebenfalls aus Liga- und Verbandsfunktionären bestehende Direktorat - das letztlich über den Bundestrainer entschied.

Klingt kompliziert, ist es auch. Die Sportler blicken inzwischen ebenfalls nicht mehr durch. „Bei so vielen Positionen ist es schwer zu beurteilen, wer für was zuständig ist“, meint NHL-Star Christian Ehrhoff, der schon seit längerem gezieltere Reformen anmahnt, etwa in der Nachwuchsarbeit. Dass im deutschen Eishockey nach wie vor jeder sein eigenes Süppchen kocht, findet selbst Cortina: „Ich bin noch nicht so drin, aber es scheint so, als ob sich jeder vor allem um sich selbst kümmert, um den eigenen Verein, um den eigenen Erfolg.“

Dabei sei die Zeit für grundlegende Veränderungen längst gekommen, finden Ehrhoff und Cortina. „Die Olympia-Qualifikation war ein negatives Erlebnis, aber sie führt hoffentlich dazu, dass wir uns noch viel mehr um die Nationalmannschaft kümmern“, sagt Cortina. „Womöglich brauchen wir mehr Trainingstage, einen anderen Modus in den Liga-Playoffs, um mehr Zeit zur WM-Vorbereitung zu haben.“ Solche Forderungen stellte schon Ex-Bundestrainer Uwe Krupp, dem 2011 die Doppelfunktion als Club- und Auswahlcoach noch verwehrt wurde.

Für Cortina wurde eine Ausnahme gemacht - die der Verbandschef aber schon wieder infrage stellt. „Er muss erst in den Job reinwachsen“, meint DEB-Generalsekretär Franz Reindl. Wie viel Zeit der Coach dafür hat, bleibt offen - trotz Vertrag bis 2015.